von Sandro Danilo Spadini
Eine ansehnliche, knapp noch überschaubare Schar von speziellen Figuren hat der australische Regisseur Roger Donaldson («The Recruit») da für den englischen Thriller «The Bank Job» vor der Kamera versammelt: meuchelnde
Agenten, snobistische Strippenzieher, korrupte Bullen, sexuell herausgeforderte Minister, kompromisslose Kredithaie, tumbe Ganoven, distinguierte Hochstapler, den Pornokönig von Soho, eine
erpresserische Puffmutter, einen straffälligen Malcolm-X-Verschnitt, ein intrigantes Ex-Model und einen finanziell lädierten Garagisten mit krimineller Energie. Letzter ist jener, dem unter den
über 70 Sprechrollen der Hauptpart zufällt und dessen vom einstigen Turmsprung-Olympiakonen Jason Statham markierte Präsenz etwas Ordnung schaffen soll. Terry heisst unser Held, und er führt eine
kleine Gruppe von Amateurkriminellen an, die es wohl nicht in dieser, aber in irgendeiner anderen Form auch wirklich gegeben hat.
Mehr als ein Überfall
Wir schreiben das Jahr 1971 und befinden uns im Osten Londons. Terry ist verschuldet und daher gerade hellhörig für den Vorschlag der attraktiven Martine (Saffron Burrows), in den Tresorraum
einer ihr vertrauten Bank einzudringen und dort manches Bares und sonstig Wertvolles einzusacken. Was Terry noch nicht weiss, aber bald vermutet: Der Schönen geht es gar nicht so sehr um
unrechtmässig zu erwerbenden Mammon denn vielmehr um ein paar sich daselbst in einem Schliessfach befindende Bilder, die eine britische Prinzessin beim fleischlichen Treiben mit gleich mehreren
dunkelhäutigen Lustknaben zeigen. Nun ja, Martine selbst sind diese Kodak-Momente eigentlich schnuppe, doch wird sie just vom schneidigen Agenten Tim (Richard Lintern) erpresst, dem ebendiese
Fotos auf Geheiss seiner sozial prima vernetzten Chefs nun mal ganz wichtig zu sein haben. Dies deshalb, weil der Geheimdienst dem die kompromittierenden Fotos als Faustpfand haltenden
Schwarzenführer Michael X (Peter De Jersey) endlich das fast alles Unlautere umfassende Handwerk legen möchte. Alles klar? Nein? Dann halt noch dies: Michael X ist nicht der Einzige, der in
besagter Bank feine, für manche Prominente indes recht ungünstige Sexschnappschüsse verwahren lässt. Und schliesslich gibt es da auch noch ein Büchlein zu finden, in welchem Oberpornist Lew Vogel
(David Suchet) feinsäuberlich seine Schmiergeldzahlungen an örtliche Gesetzeshüter dokumentiert hat. Mit anderen Worten: Es existieren sehr viele gefährliche Leute, die etwas dagegen haben, dass
diese Bank überfallen wird.
Spekulative Wirklichkeit
Eine Menge Bälle sind das, die das Skript hier am Start in die Luft wirft. Sie aufzufangen und alsdann in geordneten Bahnen rollen zu lassen, ist der Auftrag an Regisseur Donaldson. Dass er
diesem ziemlich schnell nachkommt, muss angesichts seines vor allem Filme der simpleren Sorte aufweisenden CV nicht erstaunen. Donaldson ist es auch, der verhindert, dass das Ganze anders als so
viele vergleichbare britische Streifen ins allzu Coole abdriftet; er lässt die schnippischen Sprüche und die schnellen Schnitte sein und bringt stattdessen über die letzten drei Jahrzehnte
angereicherte Hollywood-Routine ins Geschehen – was nicht so negativ gemeint ist, wie es sich vielleicht anhört. Denn öde wird es darob mitnichten. Vielmehr wissen Regie und auch Skript jederzeit
um Kniffe, die sie bei Bedarf im Kampf gegen das zu Konventionelle anwenden können. Unter den vielen Plotfäden leidet zwar ein wenig der Rhythmus, und weder auf die recht banale Schilderung des
Überfalls an sich noch auf die Darsteller müssen Hymnen des Lobes gesungen werden; doch wie das Drehbuch eines der spektakulärsten Verbrechen der britischen Kriminalgeschichte mit einer
Verschwörung auf höchster Ebene verwebt, ist schon bemerkenswert frech. Und wie Lokal- und Zeitkolorit eingefangen werden, verdient ebenfalls ein Bravo. Der auf HD gefilmte «Bank Job» ist so
letztlich ein gehaltvoll verzwickter Thriller mit einer Prise Witz, Action und Erotik, in welchem Fiktion, Spekulation und Wirklichkeit in ein spannungsvolles Verhältnis treten.