Auch auf der Klaviatur der Liebe spielte er furios

Mit dem glänzenden Michael Douglas widmet Steven Soderbergh der Pianisten-Legende und Glitzer-Ikone Liberace in seinem allerletzten Film ein angemessen protzig-prächtiges Porträt.

 

von Sandro Danilo Spadini

Eigentlich dürfte es diesen Film wenigstens in der nun vorliegenden Form gar nicht geben. Denn vom Kino verabschiedet hat sich Starregisseur Steven Soderbergh schon vor rund einem halben Jahr mit dem Thriller «Side Effects». Seinen «Liberace» respektive «Behind the Candelabra», wie er im Original heisst, hat er danach noch fürs Fernsehen gedreht. Dass dieser nun angeblich ultimative Letztling jetzt doch noch die Lichtspielhäuser einiger Länder beehren darf, geschieht ihm aber recht. Ein Film von solcher Pracht und solchem Protz ist nun mal nichts für die Flimmerkiste; ein solcher Film gehört auf die grosse Leinwand. Dies ist auch der einzig würdige Rahmen für die Leistung von Michael Douglas in der Titelrolle der Pianisten-Legende und Glitzer-Ikone Liberace. Dass Douglas das extravagante, flamboyante Wesen des «schnellsten Klavierspielers der Welt», der dank Las-Vegas-Shows ein 100-Millionen-Dollar-Vermögen anhäufte, derart punktgenau erfasst, verwundert freilich kaum; schliesslich hatte er genug Vorlaufzeit. Bereits bei den Dreharbeiten zu «Traffic» vor 13 Jahren konnte Soderbergh ihn für dieses Vorhaben begeistern; im September 2008 kam auch Matt Damon an Bord für die Rolle von Liberaces jungem Liebhaber Scott Thorson, auf dessen Memoiren beruhend Richard La Gravenese («P.S. I Love You») ein Drehbuch verfassen sollte. Dass es dann nochmals fünf Jahre dauerte, bis das Projekt (für den TV-Sender HBO) verwirklicht wurde, lag daran, dass es niemand finanzieren wollte. Laut Soderbergh sei es für die Hollywood-Studios schlicht «zu schwul» gewesen.  

Adonis und alte Tunte

Liberace, der Immigrantensohn aus Wisconsin mit der Wunderkind-Aura, hatte zeit seines Lebens in Luxus und Exzess und bis zu seinem Aids-Tod 1987 auch juristisch recht erfolgreich bestritten, homosexuell zu sein – wiewohl die Anzeichen dafür zumindest aus heutiger Warte doch reichlich offensichtlich waren. Der elffach Emmy-gewürdigte Film hingegen macht daraus von Beginn weg keinen Hehl. Er beginnt im Jahr 1977 in einer Schwulenbar mit Discomusik. Dort trifft der 17-jährige Scott den Hollywood-Produzenten Bob Black (Scott Bakula), der ihn in der übernächsten Szene in das damalige Las Vegas der Glitzerstars einführt – und der ihm daselbst den legendären Frauenschwarm Liberace vorstellt. Zwischen der Unschuld vom Lande, die der 43-jährige Damon völlig glaubhaft verkörpert, und dem 40 Jahre älteren Sohn einer Polin und eines Italieners wird es funken und werden die Fetzen fliegen – vier Jahre lang. Seinen holden Jüngling nimmt «die alte Tunte» in seine mit Kitsch und Tand vollgestopfte Villa auf, stattet ihn mit einem Chauffeurjob und einer 300‘000-Dollar-Uniform aus. Vater, Bruder, Liebhaber und bester Freund will er seinem «blonden Adonis» sein, den er mittels plastischer Chirurgie nach seinem Ebenbild formen lässt. Und als ob das des Bizarren nicht schon genug wäre, will er ihn auch noch adoptieren.

Ohne Angst und Scham

Bei so viel Wahnsinn fällt es auch Soderbergh nicht immer leicht, ernst zu bleiben. Trotzdem hat hier niemand die Absicht, diese so überdimensionierte Figur mit den langen Pelzen und den grossen Ringen, diese «Lady Gaga der Fünfziger» («Spiegel»), diesen König-Ludwig-II.-Verschnitt (Bob Black) blosszustellen. Stattdessen schildern Soderbergh und LaGravenese mit Tiefe und Schärfe gesprächsintensiv eine Liebe am Abgrund, spielen Douglas und Damon ohne Angst und Scham körpereinsatzfreudig ein Leben auf der Kippe. Bis man das auch erkennt und in seiner ganzen Klasse zu schätzen beginnt, braucht es indes einen Moment: bis man unter die dicke Make-up-Schicht geblickt, die vom Trockeneis vernebelte Sicht wiedererlangt, die vom Glitzer geblendeten Augen justiert hat. In der zweiten Hälfte dieser Liberaces letzte zehn Lebensjahre erzählenden zwei Stunden hat man damit aber immer weniger Mühe. Wenn es auf die Achtziger zugeht, wird es krass und hat der Spass ein Ende. Tragödien, Drogen, Sexeskapaden legen die Liebe nun in Trümmer. Und bis am Schluss wird alle Heiterkeit, wird aller Glanz gewichen sein. Es scheinen dann nur noch die Stars.