Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Gesetzes

Trotz eher flachen Spannungsbogens überzeugt James Grays formal bestechendes Gangster- und Familiendrama «We Own the Night» als Krimikost für Feinschmecker.

 

von Sandro Danilo Spadini

Zu den fleissigsten Regisseuren gehört dieser James Gray ja nicht. 13 Jahre verstrichen nach seinem Debüt «Little Odessa» bis zur Fertigstellung von «We Own the Night», und dazwischen hat der erst 38-Jährige mit «The Yards» (2000) nur einen einzigen, notabene seinen bislang besten Film geschrieben und gedreht. Grays gedämpfter Arbeitseifer ist aus cineastischer Sicht durchaus lamentabel, legen doch die drei vorliegenden Werke Zeugnis einer überaus sorgfältigen Filmsprache wie auch profunder Schreibkunst ab. Trotz dürftiger Faktenlage ist dem New Yorker gar schon eine eigene Handschrift zuzuschreiben – namentlich ein selten gewordener düster-melancholischer Stil, der seinen Ursprung in den Siebzigern bei den Grossstadt-Kriminaldramen etwa eines Sidney Lumet hat und dem ungeachtet der Jugend des Regisseurs erstaunlicherweise jeglicher inszenatorischer Übermut abgeht. Auch thematisch verlaufen die drei Streifen in ähnlichen Bahnen. Verrat und Verbrechen sind jeweils die Kernelemente, die immer weit über die sachte erzählte Kriminalhandlung hinaus- und bis in einen biblische Ausmasse annehmenden Familienkonflikt mit einem jungen suchenden Helden im Zentrum hineinreichen.

Gefährlicher Seitenwechsel

Angesiedelt sind Grays Filme in der Welt des Schäbigen, des Heruntergekommenen; das glamourbeladene Manhattan meidet der New Yorker Filmemacher entsprechend. Auf den mit «The Yards» realisierten Abstecher nach Queens folgt nun vielmehr die Rückkehr nach Brooklyn, wo schon «Little Odessa» gespielt hat. Es ist das Jahr 1988, eine dunkle Zeit für die New Yorker, die dritte Amtszeit von Bürgermeister Ed Koch, Kriminalität allenthalben, boomendes Drogengeschäft, die Strassen unsicher, Korruptionsskandale erschüttern die Stadtbehörden. Inmitten all dessen erzählt Gray mit demselben Personal wie in «The Yards» wiederum von einem Bruderzwist, welcher abermals im Schatten eines mächtigen Vaters und erneut im Dunstkreis der Russenmafia verläuft. Vorgestellt wird mit der Familie Grusinsky ein Hort der Rechtschaffenheit, in welchem ein schwarzes Schaf für Unruhe sorgt. Als Manager eines von russischen Immigranten betriebenen In-Clubs verkehrt der jüngste Spross Bobby (Joaquin Phoenix) nämlich in halbseidenen Kreisen, was seinen Vater Bert (Robert Duvall), einen ranghohen Polizeioffizier, und seinen gerade zum NYPD-Captain aufgestiegenen Bruder Joseph (Mark Wahlberg) mit regelrechter Abscheu erfüllt. Nachdem Joseph jedoch von einem Häscher der Russenmafia angeschossen worden ist, kommt Bobby endgültig in den Clinch und muss zwischen seiner Clique und der vor dieser stets verleugneten Familie wählen. Angetrieben vom Wunsch nach Berts und Josephs Respekt, vollzieht der vormals so leichtfüssig durchs Nachtleben tänzelnde Ex-Lebemann schliesslich einen abrupten Seitenwechsel und stürzt sich und seine Freundin (Eva Mendes) so sehenden Auges in Lebensgefahr.

Reichlich Sehenswürdigkeiten

Umgekehrt zu «The Yards» ist es hier Phoenix, der den omnipräsenten «Leading Man» gibt, derweil Wahlberg nur eine dezente Rolle innehat. Aufgrund des etwas grösseren Potenzials des Ersteren gegenüber dem Letzterem darf wohl von einem kleinen Gewinn gesprochen werden, doch bleibt «We Own the Night» in darstellerischer Hinsicht letztlich gleichwohl nur solide. Der von Phoenix und Wahlberg mitproduzierte Film hat freilich andere Sehenswürdigkeiten. Mit präzise komponierten Bildern, beherrscht von matten, an Edward Hopper gemahnenden Oliv- und Brauntönen, und einigen furios choreografierten Szenen mit Klassikerpotenzial vermag Gray zudem einen gewissen Mangel an Suspense wie auch manche Ungenauigkeit (etwa bei der zeitlich kaum akkuraten Musikauswahl) zu kompensieren. Die Klasse von «The Yards» erreicht dessen Nachfolger damit zwar noch nicht ganz, und auch die Ahnung, dass hier ein grösserer Film hätte entstehen können, lässt sich so nicht verscheuchen; doch weckt Gray hier schon mal Vorfreude auf seinen in untypischer Arbeitswut bereits abgedrehten nächsten Film «Two Lovers», der natürlich wieder in Brooklyn spielen wird und Joaquin Phoenix auf der Besetzungsliste führt.