Für seine Frau wird der Herr Lehrer zum Desperado

Als Remake des französischen Thrillers «Pour elle» ist Paul Haggis‘ «The Next Three Days» komplett überflüssig. Ganz schön unterhaltend ist das Russell-Crowe-Vehikel trotzdem.

 

von Sandro Danilo Spadini

Es ist eine alte Leier, das Lamentieren über Hollywood-Remakes europäischer Erfolgsfilme. Und deshalb soll hier jetzt auch gar nicht erst wieder damit angefangen werden. Schliesslich hat Regisseur und Drehbuchautor Paul Haggis den erst zweijährigen französischen Thriller «Pour elle» ja nicht verhunzt. Bloss: Von einem wie Haggis ist man sich eigentlich Ambitionierteres gewohnt, das Skript zum Oscar-Gewinner «Million Dollar Baby» oder die Inszenierung des ebenso hoch prämierten «Crash» etwa. Aber gut, nun hat er halt «The Next Three Days» gedreht. So mag sein Neuaufguss des Franzosenhits zwar heissen; erzählt wird darin freilich von den letzten drei Jahren im Leben der Familie Brennan aus Pittsburgh, wie uns eine Einblendung zum ohne jede Formalität auskommenden Auftakt informiert. Die Brennans sind Papa John (Russell Crowe), der ein patenter Kerl zu sein scheint, die eher zickige Mama Lara (Elizabeth Banks) und Sohnemann Luke (Toby und Tyler Green). Typisch Hollywood-Remake: Die Leute sind hier im Vergleich etwas hübscher, blonder und besser rasiert, ihr Miteinander ein bisschen harmonischer und das Drumherum geschliffener und polierter. So wird natürlich auch die Fallhöhe gesteigert, wenn es in diesem ohne besondere Merkmale ausgestatteten Thriller zum Drama kommt: Mama wird wegen Mordes verhaftet; sie soll ihrer Chefin einen Feuerlöscher auf die Rübe geknallt haben.

Akribische Vorbereitungen

Kaum im Knast, ist Lara schon nicht mehr ganz so blond, und auch John hat vorher frischer ausgeschaut. Das verblüfft nicht, kommt der Pater Familias doch arg in Stress. Auf nicht übermässig subtile Weise bereitet uns Haggis darauf vor, was Sache ist, nachdem sogar der eigene Anwalt den Glauben an die Unschuld seiner Mandantin verloren und diese – nunmehr mit braunen Haaren – einen Suizidversuch unternommen hat: Er zeigt John auf seiner Arbeit am College, wo er «Don Quijote» lehrt. Aha, da will jetzt also einer den Kampf gegen die Windmühlen der Justiz aufnehmen, denkt man sich kombinationssicher. Und in der Tat wird der Herr Lehrer nun zum Desperado, wird zu Don John, der nur noch ein Ziel hat: seine Gattin aus dem Gefängnis zu befreien. Sein Leben krempelt er komplett um. Er fängt an zu recherchieren und holt mit akribischen Vorbereitungen, iPhone und YouTube sehr weit zum Befreiungsschlag aus. Sogar Tipps von einem Ausbrecherkönig (nur diese eine Szene: Liam Neeson) erkauft er sich und steigt sodann in die Unterwelt hinab, um sich eine Knarre und gefälschte Pässe zu beschaffen.

Bleibts beim Schluss?

Dass solch gewagtes Tun nicht ohne schmerzhafte Stolperer bleibt, ist klar und vertreibt erbaulich die Zeit bis zum Grande Finale. Während Laras Unschuld bei alledem als gegeben vorausgesetzt wird, kommt auch anderweitig Spannung auf. Geld ist etwa ein Problem – das kostet ja alles. Laras Diabetes macht die Sache auch nicht gemütlicher. Und schliesslich: Welche Farbe werden Laras Haare beim Ausbruchsversuch haben? (Antwort: Rot). Ungut sind derweil einige Logiklöcher gerade bei den dezent im Hintergrund laufenden Polizeiermittlungen, die angesichts von zwei Stunden Spielzeit definitiv einzuebnen gewesen wären. Nicht gerade vom Hocker reissen zudem die Spielkameraden, die dem formidablen Russell Crowe an die Seite gestellt wurden. Okay, Olivia Wilde aus «House M.D.» ist gewiss nett anzuschauen; und wenn man Oldie Brian Dennehy anfangs in einer hinteren Bildecke als Opa Brennan erblickt, weiss man, dass man sich noch auf einen dieser sentimentalen Vater-Sohn-Momente freuen darf. Gerade die nur haarfarblich variable Elizabeth Banks indes tut sich vornehmlich durch ein gesteigertes Nervpotenzial hervor, sodass man sich öfters fragt, warum John eigentlich nicht froh ist über ihre Wegsperrung. Ansonsten aber: alles tipptopp. Der Film ist stets im Fluss, da kann man nichts sagen; die Melancholie, die sich bald über das Geschehen legt, gibt Stimmung; verbal Knackiges fehlt auch nicht; und das Finale ist richtig klasse. Das Beste daran: Selbst wer das Original kennt, kann mitfiebern. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass die Remake-Amis das Ende nach ihrem Gusto umgemodelt hätten.