Den Kampf annehmen – und den Humor nicht verlieren

Eine Komödie über Krebs – wie geht das? Regisseur Jonathan Levine und sein Hauptdarsteller Joseph Gordon-Levitt machen es in «50/50» vor.

 

von Sandro Danilo Spadini

«Extrem selten» sei die Form von Krebs, die in seiner Wirbelsäule wuchert, informiert ihn der Arzt mit der Sachlichkeit eines Medizinhandbuchs. Und fast ebenso nüchtern reagiert der 27-jährige Adam (Joseph Gordon-Levitt) nach dem ersten Schock auf die Diagnose – wiewohl im «das Internet» nur eine 50-prozentige Überlebenschance einräumt. Ganz anders sein Umfeld: hysterisch die Mutter (Anjelica Huston), überfordert die Freundin (Dallas Bryce Howard), baff der Kumpel (Seth Rogen), hilflos die Psychiaterin (Anna Kendrick). Gerade ihr Umgang mit Adams Krankheit nimmt Regisseur Jonathan Levine in seinem Drittling denn auch zum Anlass für buntes komödiantisches Treiben. Aber halt: Eine Komödie über Krebs? Geht das? Doch, doch, das geht durchaus – wenn man es denn so macht wie Levine und der aus eigener Erfahrung berichtende Drehbuchautor Will Reiser: herzlich und trotzig, nichts beschönigend und sich des Ernsts der Lage bewusst. Nur zu Beginn von «50/50» steht zu befürchten, dass der Film ebendies nicht ist – vielleicht auch aus dem Vorurteil heraus, der erst 36-jährige Levine sei ein noch zu unerfahrener Mann für eine solch heikle Aufgabe. Es wird sich jedoch weisen, dass der Jungregisseur diesen Balanceakt trotz gelegentlicher Ausrutscher ins allzu Profane weit besser bewältigt, als es ein Altmeister wie Rob Reiner in der Geschmacklosigkeit «The Bucket List» getan hat.

Ein Prozess

Wie sein Held stellt sich der Film der Krankheit. Aber wie bei diesem ist das auch filmisch ein Prozess. Mantraartig erklärt Adam zunächst, es gehe ihm gut und er sei entspannt und nein, wütend sei er nicht. Und Regie und Skript tun derweil ihr Bestes, dieser ganz normalen Verleugnung zuzudienen: Man gibt sich fidel und flapsig, so wie es Rogens schandmäuliger Kyle tut. Doch allmählich kommen die Scherze nicht mehr so flott über die Lippen, mehren sich die humorfreien Passagen, wird es im Film und in Adam drin dunkler. Jetzt geht die Sache mit dieser verfluchten Krankheit zusehends an die Nieren; und wenn jetzt noch gewitzelt wird, dann ist das keine Flucht vor der Realität, sondern eine Zuflucht bei der Komik: Galgenhumor halt. Inzwischen hat auch Kendricks 24-jährige (!) Psychiaterin die Dinge besser im Griff. Sie erweist sich nun als Hilfe und Stütze – und ganz weit hinten am Horizont vielleicht, womöglich, eventuell als eine amouröse Perspektive für die Zukunft, so es eine solche für Adam denn geben sollte. Hier im Jetzt jedenfalls ist sie eine Bereicherung, sowieso für den Film, der seine besten Momente in diesen unorthodoxen Psychiater-Patient-Gesprächen hat. Natürlich liegt das nicht nur an Kendrick, die hier ihre Oscar-nominierte Leistung in «Up in the Air» bestätigt. Vor allem ist «50/50» die Show von Joseph Gordon-Levitt, dessen Adam einem schon vor der desaströsen Diagnose ans Herz gewachsen ist.

Nuanciertes Ensemble

Dorthin zielt denn auch der Film primär: aufs Herz – und nicht auf die Tränendrüse oder das Zwerchfell. Klar, nebst lässiger Seattle-Hipness und spritzigen Dialogen voll popkultureller Referenzen ist auch manche Albernheit dabei; und mit den verbalen Obszönitäten übertreibt es Levine bisweilen. Aber wenn er das richtige Gespür mal vermissen lässt, korrigieren die nuanciert agierenden Darsteller den Kurs: von der kapriziösen Anjelica Huston über Adams Leidensgenossen Philip Baker Hall bis zu Dallas Bryce Howard, der wieder keine Sympathiepunkte sammelnden Hexe aus «The Help». Einzig Seth Rogen ist problematisch. Als Freund von Schreiber Reiser nimmt er quasi seine Rolle aus dem richtigen Leben wieder auf – und jene aus «Funny People», wo er dem gleichfalls schwer erkrankten Adam Sandler beistand. Anders als dort bleibt er hier aber zu lange jovial und rustikal; dass er nebst komödiantischem Talent auch dramatische Tiefe hat, kann er so nicht restlos beweisen. Einen Anknüpfungspunkt findet mit «50/50» auch Regisseur Levine: an den Vorgänger «The Wackness», wo mit einer gesunden Portion Humor einer psychischen Erkrankung begegnet wird. Und wie dort zeigt sich seine relative Unerfahrenheit auch hier nicht in mangelndem Fingerspitzengefühl – sondern bloss in dramaturgischen Durchhängern, die freilich zu verkraften sind.