Klunker klauen und Männern die Show stehlen

Jetzt sind die Frauen dran: In «Ocean's Eight» zeigen Sandra Bullock und Komplizinnen, dass sie geradeso cool und smart ein grosses Ding zu drehen verstehen wie Clooney und seine Spiessgesellen.

 

von Sandro Danilo Spadini

Klar, einen Film, in dem eine Truppe enorm smarter Frauen das grosse Ding dreht, hat es so bislang noch nicht gegeben. Und ja, das liesse sich nun ganz prima aus der Gender-Optik analysieren. Andererseits – ein ganz verwegener Gedanke! – könnte man sich auch zurücklehnen und diesen Film geniessen. Einfach so. Und wissen Sie was? Lassen Sie uns doch genau das tun. Weil es Sommer ist. Und weil dann mehr Platz bleibt, um diesen wirklich sagenhaft charmanten, eleganten und nonchalanten Ladys von «Ocean’s Eight» zu huldigen. Und zwar jeder einzelnen, allen acht, also Sandra Bullock, Cate Blanchett, Anne Hathaway, Sarah Paulson, Mindy Kaling, Awkwafina, Helena Bonham Carter und Rihanna.

Nach Soderberghs Playbook

Das, worin diese acht hier verwickelt werden, nennt sich Heist- oder auch Caper-Movie. Es ist dies das Genre, das Steven Soderbergh in den Nullerjahren mit der geradezu grotesk starbesetzten «Ocean’s»-Reihe wieder animierte. Elf Jahre nach der letzten Folge mit George Clooney und seinen Spiessgesellen begnügt sich der hornbebrillte Zampano bei diesem Spin-off freilich mit der Produzentenrolle; die Regie überlässt er «Hunger Games»-Meister Gary Ross, das Skript lieferte Newcomerin Olivia Milch. Einen Paradigmenwechsel hat das indes nicht eben zur Folge. Vielmehr läuft hier alles oberlässig nach Soderberghs Playbook ab: In Ton und Tempo, Sound und Style ist das ganz nah am Original; die Eröffnungsszene hat man sogar quasi von «Ocean’s Eleven» geklaut. Statt Danny Ocean, der mittlerweile verstorben sein soll (wers glaubt, wird selig), sitzt hier seine Schwester Debbie (cool: Bullock) vor dem Bewährungsausschuss und beteuert, dass sie nach fünf Jahren im Knast nichts anderes wolle als ein «einfaches Leben». Ein einfaches Leben stellt sich Debbie Ocean so vor: mit ihrer kernigen Kumpanin Lou (auch cool: Blanchett) und einer Bande lausig beleumundeter Spezialistinnen an der exklusivsten Party Amerikas ein drei Kilo schweres Collier vom Hals eines kapriziösen Super-Promis zu stibitzen. Wovon wir hier reden: der Met Gala in New York, einem 150-Millionen-Klunker und der Hollywood-Diva Daphne Kluger, selbstironisch und hochkomisch gespielt von Anne Hathaway. Was es dazu braucht: einen Plan, an dem Debbie ewig gefeilt hat und den sie und Lou auch uns nicht bis ins Letzte darlegen. Und wer das vollbringen soll: eine Juwelierin auf Partnersuche (Kaling), eine Trickbetrügerin mit flinken Fingern und flottem Mundwerk (Awkafina), eine Hehlerin mit braver Vorortsfamilienfassade (Paulsen), eine Kostümdesignerin am Ende der Karriere und am Rande des Wahnsinns (Bonham Carter) und eine Hackerin mit Billard-Obsession (vielleicht am coolsten: Rihanna). Und wer aufmerksam war und mitgezählt hat, müsste jetzt stutzen.

Die beste Fortsetzung

Apropos stutzen: Wie mit allem anderen pflegt «Ocean's Eight» auch mit der Plausibilität einen ausgesprochenen lockeren Umgang; mit dem Product-Placement übertreibt man es bisweilen; und bei den Cameos hätte man statt des Kardashian-Clans dann doch lieber den einen oder anderen Kerl aus der Originalbesetzung gesehen (Matt Damon wurde – wohl wegen dezenter Kritik an #MeToo – rausgeschnitten). Doch all das ändert nichts daran, dass «Ocean's Eight» um Längen besser ist als die früheren Fortsetzungen: ein Augenschmaus (nur schon diese Kostüme!), ein Ohrenplausch (ach dieser Jazzsoundtrack!), ein Rätselspass (all diese Twists und Volten!) und überhaupt ein Mordsgaudi, das kaum je auf Kosten der Männer gehen muss – und wenn, dann mit Recht: wie bei Debbies Ex (Richard Armitage), einem öligen Kunstfuzzi, der noch nicht gekriegt hat, was er verdient. Oder wenn Debbie ihren Verzicht auf männliches Personal erklärt: «Männer fallen auf, Frauen werden ignoriert. Für einmal wollen wir ignoriert werden.» Ein Seitenhieb oder eher eine Breitseite auf die Filmbranche also. Wobei: Ehedem exklusiv maskuline brachiale Sachen – wie Rachefeldzüge, Polterabendklamotten, Agentenkracher oder Superheldenspektakel – gesteht Hollywood Frauen ja längst zu. So was wie dies indes, filigran mit Köpfchen, ganz ohne «Mansplaining»: Das scheint neu. Und lassen Sie uns doch meinen, Hollywood sei hier nicht kommerziellem Kalkül, sondern kreativem Credo und innerer Überzeugung gefolgt. Lassen Sie uns – sei es aus Erschöpfung, aus Arglosigkeit oder aus Überzeugung – diesmal ans Gute im Hollywood-Menschen glauben. Und jetzt, hoppla, sind wir fast doch noch in einen Genderdiskurs geraten. Aber wer sagt denn, dass sich cooles Kino und kluge Clous ausschliessen müssen?