The Loudest Voice

 

«Wir folgen den Nachrichten nicht, wir machen die Nachrichten», sagt Roger Ailes (Russell Crowe) hier einmal voller Stolz und fasst damit ohne den Anflug ethischer Bedenken kurz und knapp zusammen, wie es um die Arbeitsmoral dieses mächtigsten und einflussreichsten Fernseh-«Journalisten» der jüngeren Geschichte denn so bestellt war. Ailes, nach durchaus treffender Eigenbeschreibung «fett, hässlich und paranoid», war es, der für den knallhart rechten australisch-amerikanischen Medienmogul Rupert Murdoch (Simon McBurney) vor einem Vierteljahrhundert den Newssender Fox News aus dem Boden gestampft und ihn im Nu zur Nummer eins im US-amerikanischen Markt gepusht hatte. Unter dem nachgerade höhnischen Motto «Fair und ausgeglichen» wollte Ailes jenen konservativen Amerikanern eine Echokammer geben, die in den Mainstreammedien ihre Anliegen nur unzureichend vertreten sahen, und der Republikanischen Partei eine regelrechte Propagandamaschine zur Verfügung stellen. Wie skrupellos der einstige Medienberater der Präsidenten Nixon, Reagan und Bush senior dabei vorging, zeigt die Miniserie «The Loudest Voice» nun mit jener Schonungslosigkeit, mit der Ailes seine Feinde zur Schnecke machte und oft genug endlich zur Strecke brachte. Basierend auf dem minutiös recherchierten 2014 erschienenen Buch des Journalisten Gabriel Sherman, zeigen der Oscar-prämierte Serienschöpfer Tom McCarthy («Spotlight») und seine Regisseure Kari Skogland, Jeremy Podeswa, Stephen Frears und Scott Z. Burns, wie Ailes über zwei Jahrzehnte die Nachrichten modellierte, manipulierte und fabrizierte und so zum Wegbereiter von alternativen Fakten und Fake News avancierte. Sieben entscheidende Phasen im Berufsleben von Ailes, verteilt auf die mit Jahreszahlen betitelten sieben Folgen, dienen ihnen dabei als Orientierungspunkte: namentlich die Gründung von Fox News im Jahre 1995, die Attacken von 9/11, die Wahl von Barack Obama, die erste ernste Auseinandersetzung mit dessen Administration, die Wiederwahl Obamas, der Skandal um multiple und jahrelange sexuelle Belästigung bei Fox News, der Ailes 2016 zu Fall bringen sollte, und die Wahl Donald Trumps, an der Ailes kräftig mitschräubelte.

Ebenso wenig wie das gerade im Kino angelaufene Drama «Bombshell», in dem es exklusiv um den #MeToo-Fall von Roger Ailes geht, ist «The Loudest Voice» daran interessiert, die ominösen «beiden Seiten der Geschichte» zu zeigen. Es liesse sich mithin argumentieren, dass dies auch nicht gerade «fair und ausgewogen» sei; im Fall von Roger Ailes gibt es aber halt nur diese zwei Sichtweisen: eine richtige und eine falsche. Die verführerisch falsche, der «The Loudest Voice» nicht wirklich aufsitzt, ist: Dieser Mann war ein Genie. Die richtige ist: Dieser Mann, der 2017 kurz nach seinem Rauswurf starb, war ein Lustmolch und ein Schwein, das Frauen demütigte und misshandelte. Er war ein Paranoiker, der von seinen Untergebenen Nibelungentreue verlangte und allerorten Verschwörungen witterte. Er war ein Rassist, für den nur das weisse Amerika das echte Amerika war. Er war ein Nihilist, der die politische Debatte vulgarisierte und dem Ansehen des Journalismus unermesslichen Schaden zufügte. Und am schlimmsten: Er war ein Aufwiegler, der das Land spaltete und die Stimmung vergiftete. So ist das, und da kann Roger Ailes noch so tot sein. Wie Russell Crowe dieses monströse Ekelpaket, das dies alles wohl feist feixend aus der Hölle verfolgt, mithilfe von Fettanzug und dicker Make-up-Schicht spielt, ist ein Golden-Globe-gekröntes Ereignis. Und er ist nicht der Einzige, der hier brilliert: Auch Sienna Miller als Ailes’ treu ergebene, geradeso konservative und paranoide Gattin, Naomi Watts in der Rolle der den #MeToo-Fall lostretenden Moderatorin Gretchen Peters, Aleksa Palladino als so loyale wie enigmatische Sekretärin und vor allem Annabelle Wallis als eine von Ailes über Jahre sexuell ausgebeutete Fox-Angestellte setzen Glanzpunkte. Was «The Loudest Voice» indes auch nach fast sechs Stunden Spielzeit nicht erhellen kann, ist, was all diese und noch viele weitere Frauen dazu bewog, so jemandem all die Jahre die Stange zu halten. Was so am Ende überdauert, ist ein faszinierendes Stück Mediengeschichte und ein Zeugnis blanken, aber unvermindert diffusen Horrors: des nachhaltig zerstörerischen Wirkens eines Mannes, dessen so vollkommene Boshaftigkeit und absolute Niederträchtigkeit ein Rätsel bleibt.