Auf einen schalen Schampus mit schönen Schlawinern

Garry Marshalls Schmonzette «New Year’s Eve» hat mehr Stars als Herz, mehr Plots als Verstand und weniger Qualität gar als der infame Vorgänger «Valentine’s Day».

 

von Sandro Danilo Spadini

Silvester am Times Square in New York – das klingt gewiss verlockend. Und dann noch diese All-Star-Gästeliste – da könnte man sich fast drauf freuen. Doch hätte man dann ohne den Zeremonienmeister dieses denkfaul «New Year’s Eve» getauften Anlasses kalkuliert. Denn der heisst Garry Marshall, und dieser 77-jährige Herr hat ja seit je meist Ungutes im Schilde geführt. Tonnenweise Schmalz hat er verbraten in Filmen wie «Pretty Woman»; so viel Zuckerguss hat er auch auf seine anderen Erzeugnisse gekleistert, dass man öfters beinahe in ein hyperglykämischen Schock gefallen ist; und so fest hat er stets und jüngst in «Valentine’s Day» auf die Tränendrüse gedrückt, dass diese noch heute grün und blau ist. Was dieser «Spezialist» für Liebeskomödien trotz unzweideutigen Auftrags hingegen nie getan hat, ist die Lachmuskeln zu strapazieren. Und weil Marshall wie gesagt nicht mehr der Jüngste ist, fängt er jetzt auch gar nichts Neues mehr an und ist sein neuster Wurf also eben wieder das: schmalzig, schnulzig, schmierig – und absolut nichts zum Lachen.

Verzettelte Schnitzeljagd

Nicht dass Marshall nicht zu scherzen beliebte. Ganz im Gegenteil: Es ist noch helllichter Tag an diesem 31. Dezember 2011, als gegen ihn wegen ungelenken Possenreissens bereits Haftbefehl der Humorpolizei erlassen wird. Unbeirrt davon geht es freilich auch nach dem Entkorken der Pulle «Schampus extraschal» weiter: platt statt glatt, harzig statt herzig. Und nachdem sie nun das Tor zur Filmhölle schon mal so weit aufgerissen haben, kalauern Marshall und Drehbuchautorin Katherine Fugate dann völlig entfesselt in die unprickelnde Silvesternacht hinein. Nicht nur Marshall, sondern auch Fugate werkelt notabene auf Bewährung. Denn sie war es, die bereits das Skript zu «Valentine’s Day» verfasste – und das kann sie hier kaum verbergen. Das Muster dieses infam formelhaften Liebesreigens hat sie nämlich einfach abgepaust für «New Year’s Eve», wiewohl sich dieses Muster eben gerade überhaupt nicht bewährte: Ergänzt um Potz-Blitz-Einfälle wie einen stecken gebliebenen Lift und von Los Angeles nach New York verfrachtet, zettelt sie wiederum eine amouröse Schnitzeljagd quer über alle Generationen und durch sämtliche Ethnien an. An der Oberfläche wird in den zum Verzetteln vielen Plot-Fährten gar nicht erst gekratzt; vielmehr wird diese noch weiter poliert. Das mag die Imageberater der Stars freuen, die hier ohnehin fast präsenter scheinen als ihre Klienten. Doch ansonsten ist damit niemandem ein Gefallen getan. Auch den Stars selbst nicht, die nichts zu tun bekommen und so inmitten zudringlicher Werbebotschaften samt und sonders noble Kleiderständer bleiben. (Apropos: Die rosa Baseballmütze, die Ashton Kutcher in «Valentine’s Day» aufgesetzt bekam, erfährt hier mit einem lila Strickjäckchen ihre modisch logische Fortsetzung – Ashton Kutcher müsste das zu denken geben.)

Gesäuselte Parolen

Bisweilen ist es sogar richtig holprig, hölzern, holterdipolter, was die Promis da bieten. Das darf einerseits dem pathetischen Skript zugeschrieben werden, das ausuferndes Chargieren geradezu herausfordert. Andererseits hat man sich angesichts all der Top-Stars und -Saläre vielleicht aber auch einfach gesagt: «Wurscht, passt, gibts halt nur ein Take pro Szene.» Jedenfalls wirkt vieles unfertig: ob der Jon Bon Jovi und die Katherine Heigl sich nun wieder vertragen; die Halle Berry dem Robert De Niro beim Sterben hilft; der Ashton Kutcher die Lea Michele im Lift busselt; der Sarah Jessica Parker mit der Abigail Breslin der Mutterinstinkt durchgeht; die Jessica Biel gebärt; der Til Schweiger englisch zu reden versucht; der Josh Duhamel Trauzeuge spielt; die Hilary Swank die Sause am Times Square tätschmeistert; oder der Zac Efron der Michelle Pfeiffer einen unvergesslichen New Yorker Tag organisiert. Womöglich hätten all diese schönen Schlawiner Marshalls abermals zu einem Feiertag in unser aller Gewissen gesäuselte Durchhalteparolen verinnerlichen sollen: «Wage mal was» und «Höre auf dein Herz». Weil es aber offenbar genug Stars gibt, die lieber auf Nummer sicher gehen und eher auf das Klimpern der Geldbörse hören, müssen wir uns wohl schon mal auf Garry Marshalls Fronleichnam-Ensemblefilm gefasst machen.