Die Stunde der wahren Patrioten

Superstar Tom Cruise spielt in dem trotz schwieriger Entstehungsgeschichte ziemlich packenden Verschwörungsthriller «Valkyrie» den Hitler-Attentäter Graf von Stauffenberg.

 

von Sandro Danilo Spadini

Dass das noch halbwegs gut kommen würde mit der Zweitweltkriegs-Grossproduktion «Valkyrie», daran hatte kaum mehr jemand geglaubt. Wiederholte Startverschiebungen, umfangreiche Nachdrehs, Streit um die Dreherlaubnis an deutschen Schauplätzen, Klagen von am Set verunfallten Statisten, auf mysteriöse Weise beschädigtes Filmmaterial, Gerüchte um einen mit lachhaftem deutschem Akzent stümpernden Hauptdarsteller Tom Cruise sowie Kontroversen um dessen Scientology-Mitgliedschaft: Selten hat ein Film im Vorfeld derart aspektreich und über einen solch langen Zeitraum so viel negative Publicity angehäuft. Umso grösser muss nun, da das Werk endlich vorliegt, freilich die Enttäuschung derer sein, die sich schon freudig auf ein abermaliges Tom-Cruise-Bashing eingestellt hatten. Denn «Valkyrie», der Geschichte um den Hitler-Attentäter Graf Claus von Stauffenberg, ist die schwierige Geburt mitnichten anzusehen.

Komplexer Plan

Natürlich ist das pures Unterhaltungskino, keine Geschichtslektion, kein komplexes Psychogramm der Akteure, die Akkuratesse nicht als Top-Priorität erachtend. Mit Bryan Singer («The Usual Suspects», «X-Men») stand halt ein Regisseur auf der Kommandobrücke, der dem effektvollen Knaller seit je den Vorzug vor Subtilität und Seriosität gibt. Man könnte Singer einen altmodischen Filmemacher mit hoher filmischer Intelligenz nennen – einen, der keinen Rattenhintern auf fundamentale Unplausibilitäten gibt und mit einem gewissen Recht ganz auf die Macht der bewegten Bilder und die Magie des Kinos vertraut. Einen solchen hat es für diesen Streifen auch gebraucht, galt es doch zuerst einige hohe Hürden des Widerspruchs zu nehmen. Deren schwierigste baute sich in der Gestalt auf, dass hier ein nach allen Regeln der Kunst und nach allen erprobten Verfahren Singers fabrizierter Hochspannungsthriller abgefeuert werden möchte, wiewohl noch der historisch Unbeflissenste weiss, dass der Plan des abtrünnigen Nazi-Offiziers von Stauffenberg scheitern wird. Das Wesen dieser Skizze zum Staatsstreich – quasi ein umgekehrtes Nutzbarmachen von Hitlers Notfallprogramm «Walküre» – ist freilich von einer gehörigen Vertracktheit, sodass man dann wieder ganz froh um Singers relative Nonchalance sein kann. Weder zu technisch noch zu salopp, en passant und en detail zugleich, breiten er und sein schon bei «The Usual Suspect» am Start gewesener Schreiber Christopher McQuarrie das konspirative Unterfangen der aus glühendem Patriotismus ab 1944 gegen Hitler wirkenden Militärs aus, welche abgesehen von Cruise hollywoodscher Logik gemäss samt und sonders von Briten wie Kenneth Branagh, Bill Nighy oder Terence Stamp verkörpert werden.

Fokussiert aufs Wesentliche

Mit der letztlich tauglichen Lösung der Spannungsproblematik war man indes noch nicht aus dem Bereich des Grundsätzlich-Gewöhnungsbedürftigen heraus. Die zweite grosse Hürde stellte die Sache mit der Sprache dar. Diese nahm man nach reiflicher Überlegung und wohl auch angesichts desolater Testvorführungsechos, indem man sie einfach abbaute. Die Darsteller sprechen nun, nach den erwähnten Nachdrehs, gottlob mit ihrem natürlichen oder neutralem Akzent – nicht auszudenken, würden die knackig-kernigen Oneliner in Kraut-Englisch gebellt. So wirkt das zwar teils wie rein Amerikanisch-Militärisches, und hätte Singer nicht so eine ungeheure Freude an riefenstahlschen Bombastaufnahmen und all den Nazi-Requisiten, wähnte man sich bisweilen in der Tat in einem klassischen Army-Film. Zu einem solchen würden indes auch nichts zur Sache tuende Pro-forma-Privatgeschichten gehören, auf die hier wiederum dankenswerterweise verzichtet wurde. Gerade dieses Fokussieren auf das Wesentliche gehört denn auch zu den Stärken von «Valkyrie», wobei gewiss argumentiert werden könnte, dass eine vertiefte Analyse der enigmatischen historischen Figur Claus von Stauffenberg durchaus angezeigt gewesen wäre. Der Popcorn-Anspruch und der Protz-und-Pomp-Wille verhinderten derart Feingeistiges am Ende aber wohl. Als Ironie kann eingedenk dessen also verbucht werden, dass mehr die britischen Charakterköpfe denn der ordentlich agierende Superstar Tom Cruise Akzente setzen – und dass die machtvollsten Bilder mehr im Kleinen und Stillen als in den wuchtigen Aufnahmen zu finden sind.