von Sandro Danilo Spadini
Schon die ersten Sequenzen des von George Clooney und Steven Soderbergh produzierten Thrillers «The Jacket» lassen Ungutes erahnen: Eine wilde Flut von Bild- und Geräuschfetzen ist das, ein sich kryptisch und kunstvoll gebender
Überfall auf Augen und Ohren, chaotisch, überladen, krächzend, quietschend und in seiner Bemüht- und Gewolltheit irgendwie unbedarft. «Ich war 27 Jahre alt, als ich das erste Mal starb», flüstert
derweil der von Adrien Brody mit der mittlerweile vertrauten Leidensmiene verkörperte Kriegsveteran Jack Starks aus dem Off. Eine Aussage, die passt, die mit ihrem unterschwelligen Pathos
nachgerade programmatisch ist für den mild philosophischen Duktus des nun Folgenden. Zugetragen hat sich besagter Todesfall 1991 in Irak. Einen Kopfschuss hat sich Jack eingefangen. Sein Körper
wird sich erholen. Sein Hirn nicht. Bald steht er vor Gericht. Unter (falschem) Verdacht, einen Polizisten ermordet zu haben. Er wird für unzurechnungsfähig befunden, in ein Sanatorium
eingewiesen. Hier wird er ein zweites Mal sterben. Denn hier erwarten ihn nicht nur eine feinfühlige Ärztin (Jennifer Jason Leigh) und die üblichen Übers-Kuckucknest-Flieger (u. a. Neo-Bond
Daniel Craig), sondern auch experimentierfreudige Kurpfuscher wie Dr. Becker (Kris Kristofferson), die ihn nach grosszügiger Medikation in eine Zwangsjacke stecken und auf die Reise schicken. Auf
eine Zeitreise, heisst das. Auf einen surrealen Trip in das eigene Morgen und Übermorgen, wo Jack etwa auf die desillusionierte White-Trash-Kellnerin Jackie (Keira Knightley) treffen wird. Sich
verlieben wird. In Jackie. In das Leben. Und wo er Abschied nehmen wird. Von Jackie. Vom Leben.
Heterogene Stilübung
«Zurück in die Zukunft» auf Psychopharmaka ist «The Jacket», eine Film gewordene Kriegsneurose, ein Intellektuellenthriller, der viel vorhat und sich dabei sehr ernst nimmt. Inszeniert hat ihn
ein Mann namens John Maybury, der es mit der Francis-Bacon-Biografie «Love Is the Devil» zu gewisser Berühmtheit geschafft hat. «The Jacket», so ist anhand der exquisit ausgesuchten
Promibesetzung und des vor Wichtigkeit vibrierenden Grundtons unschwer zu erkennen, sollte nun Mayburys Durchbruch werden. Ein überbordender Ehrgeiz und eine fast kindliche Masslosigkeit stehen
diesem Ziel jedoch im Wege. Verführt von den Möglichkeiten der modern-geschmäcklerischen Bildgestaltung, entgleitet Maybury schon früh die Kontrolle über seinen zur brotlosen und heterogenen
Stilübung degenerierenden Film; führerlos taumelt dieser mit Rückblendenschnipseln und Verfremdungspartikeln durchsetzte Schnittsalat entsprechend in ein heilloses Durcheinander.
Falsch eingelöste Prämisse
Stimmig ist das nur in der Kongruenz von formaler und inhaltlicher Ebene. Wild entschlossen, Filmkunst im Stile eines Antonioni oder vielleicht eines Lynch zu schaffen, wendet sich Maybury von
der raum- und zeitgebundenen Erzählstrategie ab, verschmelzt die X- mit den Y-Achsen und schleudert seinen verwirrten Helden in der dergestalt unübersichtlich gewordenen Gegend rum. Was damit
bezweckt wird, liegt auf der Hand: Maybury will seinen Zuschauer an einen dunklen Ort hinführen, wo eine emotionale Traum(a)logik die Gesetze der rationalen Welt ausser Kraft gesetzt hat; er will
ihn in einen fieber- und Albtraumhaften Zustand versetzen, der ihn mit Jack Starks in einen mitfühlenden Bund treten lässt. Solches zu erreichen, erfordert freilich eine Könnerschaft, die Maybury
bei aller Wertschätzung für die immer wieder durchschimmernde und bisweilen durchberstende Versiertheit auf visuellem Terrain letztlich abgeht. Statt den höchsten aller Gipfel der Filmkunst zu
erklimmen, lässt er sein – wenigstens in dieser Hinsicht sich dem Protagonisten näherndes – Publikum zunehmend orientierungslos zurück. Die ambitionierte Prämisse seines sich schliesslich auch
noch an einen gar süsslichen und sendungsbewussten Schlusskommentar verkaufenden Films wird so denn auch nur in einem gänzlich ungünstigen Sinne eingelöst: «The Jacket» ist ein Albtraum, ein
Chaos von einem Film.