Schön, dass wir darüber geredet haben

Regiedebütant Stuart Blumberg hat in seiner Sexsucht-Tragikomödie «Thanks for Sharing» die grösste Mühe, den richtigen Ton zu finden. Die tolle Besetzung bügelt aber vieles aus.

 

von Sandro Danilo Spadini

Fünf Jahre ist Adam (Mark Ruffalo) nun schon trocken. Den Applaus der Selbsthilfegruppe hat er sich also verdient. Einfach war und ist das nämlich nicht – die Verlockungen lauern an jeder Ecke, vor allem jetzt, in diesem prächtigen New Yorker Sommer, wo sie sich wieder alle rausgeputzt haben und die Werber die Stadt zupflastern mit halb nackten Schönheiten. Adam aber hat sich im Griff und würgt seine Sucht ab: seine Sucht nach Sex, die es ihm sogar verbietet, einen Fernseh- oder einen Internetanschluss zu haben. Und die es ihm jahrelang verunmöglicht hat, eine Liebesbeziehung einzugehen. Doch jetzt, da er der feschen Phoebe (Gwyneth Paltrow) begegnet ist, scheint er so weit zu sein. Findet jedenfalls sein Sponsor Mike (Tim Robbins), der seinerseits Alkoholiker und schon 15 Jahre nüchtern ist. Adam und Mike taugten damit als Vorbild für Neil (Josh Gad). Der wiederum steht noch ganz am Anfang, hat keinerlei Bewusstsein für seine Sucht und meint flapsig, er sei wegen der Gratis-Bagels hier. Dabei wurde er gerichtlich zur Gruppentherapie verknackt, weil er sich in der U-Bahn an einer Fremden gerieben hat. Erst als er seinen Traumjob als Notfallarzt los ist, nachdem er mit versteckter Kamera unter dem Rock seiner Chefin spioniert hat, erwacht er. Ekelt sich vor sich selbst. Und ist bereit, an sich und mit anderen zu arbeiten wie der gleichfalls sexsüchtigen Dede (Alecia Moore alias Pink).

An der Oberfläche

Wenn ein Filmemacher aus derart vielen Perspektiven einen Stoff angeht, legt das nahe, dass er sein Thema allumfassend und abschliessend behandeln will. Bei Stuart Blumberg und seinem Regiedebüt «Thanks for Sharing» kommt dieses Gefühl indes nie auf. Das liegt zum einen daran, dass der 45-Jährige eine gewisse Gelassenheit walten lässt; zum anderen hat das mit seiner Unentschlossenheit zu tun. So zögert er, ob er die Suchtproblematik auch noch auf Drogen, Alkohol und Essen ausweiten soll, und zaudert, wenn es darum geht, den richtigen Ton zu finden. Ob es so etwas wie Sexsucht denn wirklich gebe, fragt Phoebe skeptisch, als sie von Adam damit konfrontiert wird. Und es scheint, als ob sich auch Blumberg da nicht so sicher sei. Oder zumindest, als ob er sich dem Thema letztlich lieber doch nicht stellen möchte. Denn gerade wenn es beklemmend wird, kneift er und flüchtet sich in einen Scherz, um die Spannung wieder zu lösen. Aber so willkommen das bisweilen auch sein mag, so kontraproduktiv ist es, bleibt der Film so doch an der Oberfläche kleben und schrumpft zur leichten Komödie. Im nächsten Moment allerdings liefert Blumberg wieder einen jener klugen Denkanstösse, wie man sie aus seinen Arbeiten als Drehbuchautor schon vereinzelt kennt: aus der Religionskomödie «Keeping the Faith» oder dem Oscar-nominierten Drama «The Kids Are All Right».

Genug Sehenswertes

Für das Phänomen der Sexsucht wurde man derweil bereits in Steve McQueens «Shame» sensibilisiert: in einem Film, der mit seiner tiefgekühlten schwarzmalerischen Atmosphäre nicht unterschiedlicher sein könnte als dieses hoffnungsfroh vom himmlisch-hymnischen Family-of-the-Year-Hit «Hero» beschlossene Herzenskino. Und ohnehin ging es bei McQueen um die zerstörerische Kraft dieser Krankheit, während Blumberg auf deren Behandlung fokussiert. Er tut das freilich ohne rechte Gesellschaftskritik und mittels einer oft gar absehbaren Handlung; und dass sich die erwarteten Krisen in den Hauptplots dann auch noch simultan ereignen, wirkt arg erzwungen. Zu einem guten Teil ausgebügelt wird derlei von einer Top-Besetzung, die ihre Figuren ausreichend interessant zu machen versteht. Und die gerade im Duett jeweils schön harmoniert: beim stets gewinnenden Mark Ruffalo und der keck ihre berüchtigten Essgewohnheiten veräppelnden Gwyneth Paltrow; bei Tim Robbins, der als predigender Heuchler polarisiert, und Patrick Fugit in der ergreifenden Rolle als dessen rekonvaleszenter Sohn; und selbst bei der unwahrscheinlichen Freundschaft zwischen dem Blödelbarden Josh Gad und der Rockröhre Pink. So gibt es hier alles in allem gerade genug Sehenswertes. Und man möchte schliessen, dass das der nicht restlos geglückte erste Versuch eines fraglos talentierten Regisseurs sei.