Freundschaft auf Amerikanisch

Hart: Mit dem aufwühlenden, in Bild, Ton und Sprache äusserst gewalttätigen Jugenddrama «Bully» meldet sich «Kids»-Regisseur Larry Clark höchst eindrucksvoll zurück.

 

von Sandro Danilo Spadini

In seinem provokativen und heftigst umstrittenen Erstlingswerk «Kids» (1995) liess der bewusstseinsverändernden Substanzen auch nicht gerade abgeneigte ehemalige Fotograf Larry Clark seine in jeder Hinsicht amoralischen und asozialen jugendlichen Protagonisten einen äusserst freien Umgang mit Sex, Drogen und Gewalt pflegen. Derselben Themenpalette widmete er sich auch im wenig beachteten Nachfolger «Another Day in Paradise» (1998), in welchem erneut ein Halbwüchsiger im Zentrum der Geschichte stand. Mit seinem Jugenddrama «Bully» wendet sich Clark nun abermals seinen Lieblingsfragen zu, und dies nicht bloss in ausserordentlich aufwühlender und bisweilen beklemmender Manier, sondern auch auf höchst eindrucksvolle und überzeugende Art und Weise.

Brisant und direkt

Clarks neues, auf realen Begebenheiten beruhende Werk erzählt von dekadenten, völlig abgestumpften Florida-Kids (u.a. Brad Renfro, «The Client», und Michael Pitt, «Murder by Numbers»), die beschliessen, einen ihrer Freunde, den gewalttätigen Soziopathen Bobby (Nick Stahl, «In the Bedroom»), aus dem Weg zu räumen. Ähnlich wie in «Kids» zeichnet Clark hierbei ein Bild von grenzdebilen Jugendlichen, die keinerlei Verantwortungsgefühl zeigen und den Blick für die Realität vollends verloren zu haben scheinen. In der Darstellung der Sex-, Drogen- und Gewaltorgie bleibt er seinem harten, direkten Stil treu, verzichtet über weite Strecken aber auf die naturalistische Inszenierung, die noch sein Debüt auszeichnete. Was «Bully» ebenso provokativ macht wie seine Vorgänger, ist die gänzliche Abwesenheit des erhobenen Zeigefingers, das Fehlen eines erklärenden Kommentars, dessen sich Clark wie immer enthält, und die vom Regisseur ebenfalls verweigerte Position eines moralischen Gewissens. Letztlich sind es aber vor allem die grösstenteils völlig unbekannten jugendlichen Darsteller, die den Film mit ebendieser Kraft und Intensität ausstatten, welche ihn zu einem der besten, brisantesten und wegen des aktuellen Bezugs auf jugendliche Kriminalität am Ende vielleicht gar aufschlussreichsten Jugenddrama seit sehr langer Zeit und zu einem der grossen Filmereignisse dieses Kinosommers machen.