Die unglaubliche Reise in einem verrückten Vehikel

Hirn ausschalten und anschnallen: Der britische Regisseur Jon Amiel («Sommersby») lädt ein zu einem turbulenten, waghalsigen und von der Logik völlig losgelösten Trip zum Kern der Erde.

 

von Sandro Danilo Spadini

Der Weltuntergang droht mal wieder! Dieses Mal ist der Kern der Erde Schuld. Der hat nämlich aufgehört, sich zu drehen, weshalb das elektromagnetische Feld über der Erde sich allmählich zersetzt. Eine Naturkatastrophe jagt die nächste, die Zeit zerrinnt. Die US-Army trommelt deshalb eine bunte – will sagen: alle Stereotypen umfassende – Gruppe von Wissenschaftlern zusammen, die einen Plan zur Rettung von Mutter Erde entwerfen sollen. Die kühne Lösung: Mit einem fix konstruierten Hightech-Vehikel zum Kern der Erde rasen, dort ein paar atomare Sprengköpfe zünden, und schon wird der störrische Kern seinen Verpflichtungen wieder nachkommen. Klar ist, alle werden die waghalsige Mission nicht überleben (klar ist auch, wer dies sein wird). Vorhang auf: Es ist Märtyrer-Zeit.

Kein Hurrapatriotismus

Naturkatastrophe? Weltuntergang? Heldentum? Ja, richtig, «Armageddon» hiess der Film, der 1998 mit Bruce Willis, ohrenbetäubendem Getöse und einer reichlich unappetitlichen Portion amerikanischem Hurrapatriotismus seinem Produzenten Jerry Bruckheimer, dem fleischgewordenen Affront gegen intelligentes Kino, einmal mehr die Taschen füllte. Wirklich intelligente Unterhaltung ist «The Core» zwar auch nicht gerade, doch immerhin hatte Bruckheimer hier seine Finger nicht im Spiel. Und so sind denn auch im Wind wehende USA-Flaggen, melodramatisches Patriotengesäusel und dummschwätzende Teufelskerle bloss Zaungäste. Freilich kommt «The Core» nicht ganz ohne markige Sätze wie «Ich mache hier meinen Job» oder «Ich tue das für mein Land» aus, insgesamt legen die Drehbuchautoren in puncto verbale Paukenschläge aber erfreulicherweise doch eine gewisse Zurückhaltung an den Tag. Einen eher zurückhaltenden Umgang übten diese jedoch auch mit der Logik – einem Kriterium, dem man, will man sich den Spass nicht gänzlich verderben, bei dieser Art von Filmen aber ohnehin nicht allzu viel Bedeutung beimessen sollte.

Dürftige Kost

Was «The Core» überdies von den gängigen Genreproduktionen abhebt, ist die mit profilierten Darstellern gespickte Besetzung, wobei die Frage gestellt werden muss, was eigentlich eine Oscar-Gewinnerin wie Hillary Swank oder ein glänzender Schauspieler wie Stanley Tucci in einem solchen Film zu suchen haben. So wie in Simon Wests ebenfalls aussergewöhnlich gut besetztem Actionkracher «Con Air» ist es auch in «The Core» das schauspielernde Personal, das einem ansonsten uninspirierten Film eine interessante Note verleiht. Derweil kann Regisseur Jon Amiel nicht verbergen, dass er sich im Sciencefiction-Genre nicht so richtig heimisch fühlt. Amiel hatte Mitte der Achtziger mit der grandios verschrobenen TV-Miniserie «The Singing Detective», welche gerade von Keith Gorden fürs Kino verfilmt wurde, Fernsehgeschichte geschrieben und drehte in der Folge mit Filmen wie «Sommersby» (1992), «Copycat» (1995) oder zuletzt «Entrapment» (1998) solide Kinounterhaltung. Mit «The Core» liefert er nun Dürftiges. Nach einer durchaus packenden, gekonnt inszenierten ersten halben Stunde (inklusive Reminiszenz an Hitchcocks «The Birds») geht Amiel bald die Puste aus. Die Special Effects sind mitunter unter Durchschnitt, die Story bewegt sich konstant an der Grenze zur Lächerlichkeit, und Spannung kommt ob des vorhersehbaren Plots kaum auf. Zumindest aber scheint sich der Film nicht allzu ernst zu nehmen und verliert auch in den dramatischsten Szenen seinen Sinn für Humor nicht, weshalb sich der Unmut über all die Abstrusitäten letztlich doch noch in erträglichen Grenzen hält.