Die unerträgliche Schwierigkeit des Mannseins

Mit der Adaption von Frank Goosens Pop-Roman «Liegen lernen» ist Regisseur Hendrik Handloegten ein bloss leidlich unterhaltender und seinen Stoff zu halbherzig umsetzender Film gelungen.

 

von Sandro Danilo Spadini

Der Icherzähler aus Frank Goosens stellenweise mit lakonischem Witz auftrumpfendem, mitunter bloss geschwätzigem Erfolgsroman «Liegen lernen» ist einer dieser typischen Pop-Literatur-Helden: Helmut ist Anfang dreissig, orientierungslos, unentschlossen, unzuverlässig, unscheinbar und faul. Mit dem Erwachsenwerden tut er sich schwer, und manchmal ist er gar ein richtiges Arschloch. In Liebesdingen ist Helmut dermassen ungeschickt, uncharmant und ungelenk, dass einem einfach nicht so recht einleuchten will, weshalb dieser Typ ständig Beziehungen mit den tollsten Frauen hat – von der wunderschönen, von allen begehrten Schulsprecherin über eine liebenswerte Medizinstudentin, eine temperamentvolle Sportreporterin und, also bitte schön, seine über 40-jährige Professorin bis hin zu Tina, jener hübschen und klugen Steuerberaterin, die Helmut doch noch zum erwachsenen Mann machen will.

Nicht sehr filmtauglich

«Liegen lernen» ist kein umwerfend komisches, kein ungemein originelles Buch. Bisweilen nachgerade dreist hat Goosen von Nick Hornbys mittlerweile gleichsam zum Standardwerk der Pop-Literatur aufgestiegenem Hit «High Fidelity» abgekupfert. Dafür hat Goosen von mancherlei Stelle ordentlich eins um die Ohren bekommen, sich aber einen Dreck drum geschert. Bereits das Cover des Buchs legt nahe, dass Ähnlichkeiten zu bereits bestehenden Werken durchaus nicht zufällig und sehr wohl beabsichtigt sind. Wie alles, was sich gut verkauft, musste nun selbstredend auch «Liegen lernen» in bewegten Bildern laufen lernen. Der Erfolg von Stephen Frears’ «High Fidelity»-Adaption täuschte dabei wohl ein wenig darüber hinweg, dass sich Pop-Romane nicht sonderlich aufdringlich für eine Verfilmung anbieten. Festgestellt hat dies jüngst etwa Gregor Schnitzler bei seiner filmischen Umsetzung von Benjamin von Stuckrad-Barres Erstling «Soloalbum», der sich in etwa so gut für die Leinwand eignet wie der Duden – ein anderer Beststeller, auf dessen Verfilmung man gespannt sein darf, wenn das denn so weitergeht. Eine gelungene Kinoversion von Goosens zwar ebenfalls eher dialoglastigem und von Selbstreflexionen beherrschtem, dabei aber gleichwohl einen ordentlichen, wenngleich nicht übertrieben spannenden Plot aufweisendem Buch läge indes sehr wohl im Bereich des Möglichen; nur hat Regisseur Hendrik Handloegten leider ebendies versäumt zu beweisen.

Zu viel und zu wenig

Sein Film hält sich vergleichsweise strikt an die Vorlage. Was ihm abgeht, ist die Fantasie, wie sich der doch recht reichhaltige Stoff zu einem homogenen und dabei kinotauglichen Ganzen verweben liesse. Munter fährt Handloegten auf der inzwischen reichlich ausgeleierten 80er-Jahre-Schiene, derweil sein Nostalgie-Express auf seiner zu platt und zu brav geratenen Zeitreise immer wieder zu entgleisen droht. Zwischendurch zwar durchaus mit Liebe zum Detail, unterliegt der Jungregisseur letztlich der fatalen Versuchung, die Zeit des Geschehens zu verklären und zu ästhetisieren. Die 80er mögen ja viel gewesen sein, aber ästhetisch waren sie bestimmt nicht. Wie bei Romanverfilmungen üblich, lässt sich natürlich auch im Fall von «Liegen lernen» trefflich über die teils gezwungenermassen, teils jedoch völlig unnötigerweise vorgenommenen Streichung streiten, wobei Handloegten paradoxerweise insgesamt sowohl zu viel wie auch zu wenig eliminiert hat. So verkommt sein Film aufgrund der dramaturgischen Treue zum Ausgangsstoff gewissermassen zur schalen Nummernrevue, geht gleichzeitig aber alle wesentlichen Themen des Buchs – Überwindung der ersten grossen Liebe, Erwachsenwerden, Deutschland, Musik, 80er-, aber auch 90er-Jahre – nur halbherzig an und bleibt so ziemlich halbgar. Obwohl Handloegten wie Frears auf einen Erzähler aus dem Off zurückgreift, der die pointierten Kommentare des Buchs einigermassen mühelos hätte transportieren können, büsst seine Version von  «Liegen lernen» viel vom Witz und Charme der Vorlage ein. Die höchstens mittelmässig begabten und mitunter fragwürdig besetzten Darsteller machen überdies auch wenig Freude und runden so das Bild eines nicht nur als Romanadaption bloss mässig überzeugenden Werks ab.