American Woman

 

Über 20 Jahre ist es nun schon her, dass Jake Scott mit der unreif überstilisierten historischen Actionkomödie «Plunkett & Macleane» sein Spielfilmdebüt als Regisseur gab. Und was der Sohn von Starfilmer Ridley Scott nun mit seinem tatsächlich erst dritten Kinowerk vorlegt, könnte nicht weiter entfernt sein von diesem lärmigen, mancherorts aber durchaus kultisch verehrten britischen «Butch Cassidy and the Sundance Kid»-Verschnitt. Das in einer Kleinstadt in Pennsylvania angesiedelte Drama «American Woman» ist eine eher ruhige Angelegenheit. Über eine Zeitspanne von elf Jahren schildert es, wie das Leben der jungen Grossmutter Debra (Sienna Miller) weitergeht, nachdem sie einen Schicksalsschlag erlitten hat, von dem sich manche nie mehr erholen. Es ist das Jahr 2003, als ihre Teenagertochter (Popstar Sky Ferreira) von einem Date nicht mehr ins gemeinsame Zuhause zurückkehrt und spurlos verschwunden bleibt. Der lebensdurstigen, männerhungrigen Debra, gerade mal 32-jährig, obliegt es so fortan, ihren Enkel aufzuziehen. Hilfe erhält sie dabei von ihrer Schwester (Christina Hendricks aus «Mad Men»), die direkt gegenüber wohnt, und später auch von Chris (Aaron Paul aus «Breaking Bad»), mit dem sie für einmal vielleicht einen guten Fang gemacht hat.

Jake Scott beweist in dieser Charakterstudie ein Gespür für die Befindlichkeiten der amerikanischen Arbeiterklasse. Es ist seinem Film dabei auch eine umsichtige Zurückhaltung und das stete Bemühen anzumerken, bloss nicht in Voyeurismus zu verfallen und seine alles andere als perfekte Heldin vorzuführen. Vielmehr verneigt er sich vor der schnodderig-taffen Debra und ihrem ausgeprägten Sinn fürs Lebenspraktische. Und Hauptdarstellerin Sienna Miller errichtet dieser widerspenstigen Heldin mit ihrer Karrierebestleistung sogar ein kleines Denkmal. Für jeden Entwicklungsschritt ihrer Figur findet sie scheinbar mühelos das passende Register, doch verschwendet Miller das Präsentieren der enorm breiten und facettenreichen Palette ihres mimischen Vermögens nicht etwa für eine grelle Showdemonstration, sondern nutzt ihr kaum je so gezeigtes Talent, um das Publikum teilhaben zu lassen an Debras Schicksal und einem Leben zwischen Schmerz, Wut, Kampf und einem nicht kaputtzukriegenden letzten Funken Hoffnung. «American Woman» ist ein Film voller Grautöne, der sich dank Millers nachgerade Oscar-reifer Performance, seines klugen und nachvollziehbaren Aufbaus und nicht zuletzt seiner tief empfundenen Menschlichkeit ins Gedächtnis einbrennt.