Certain Women

 

Seit über einem Jahrzehnt zählt Kelly Reichardt zu den erstaunlichsten und auch profiliertesten Filmemacherinnen des amerikanischen Independent-Kinos. Mit Filmen wie «Old Joy» (2006), wo sie zwei alte Freunde (Daniel London und Will Oldham aka Bonnie «Prince» Billy) in den Wäldern von Oregon zu sich selbst und der US-Gesellschaft während der Bush-Jahre vordringen liess, und «Wendy and Lucy», worin Michelle Williams hauptsächlich ihren Hund sucht, schuf sie sich den Ruf als eine naturverbundene Meisterin des Minimalismus.

Für das Episodendrama «Certain Women», ihren bis dato letzten Film aus dem Jahr 2016, drehte sie nun nicht nur erstmals ausserhalb Oregons; sie versammelte hierfür auch eine für ihre Verhältnisse recht üppige Besetzung. So kommen in dem auf drei Kurzgeschichten von Maile Meloy basierenden und in einer Kleinstadt im ruralen Montana angesiedelten Film gleich drei der interessantesten Schauspielerinnen der Gegenwart zu einem Glanzauftritt: Laura Dern spielt eine Anwältin, die sich seit Monaten mit einem zusehends verzweifelten und aggressiven Klienten herumschlägt; Michelle Williams verkörpert eine Ehefrau und Mutter, die mit eiserner Entschlossenheit für ihr Traumhaus kämpft; und Kristen Stewart ist im berührendsten Kapitel als Abendschullehrerin zu sehen, die eine ungewöhnliche und nicht unproblematische Verbindung zu einer ihrer Schülerinnen aufbaut, einer einsamen Ranch-Hilfskraft (Lily Gladstone). Die drei Geschichten überschneiden sich wohl nur an den Rändern; sie bilden gleichwohl ein überaus stimmungsvolles Ganzes, das in ruhigem Ton und dem Reichardt so eigenen bedächtigen Tempo von alltäglichen Herausforderungen Zeugnis ablegt, mit denen ihre vielschichtigen und gewiss nicht makellosen Frauenfiguren in dieser Männerwelt konfrontiert sind. Poetisch und wahrhaftig ist das – auch das typisch Reichardt.