Festmahl für die Augen, Magerkost fürs Hirn

Brian De Palmas Verfilmung des James-Ellroy-Thrillers «The Black Dahlia» zeichnet ein visuell virtuoses Bild des Vierzigerjahre-Hollywood, sackt aber mit einem verworrenen Skript ab.

 

von Sandro Danilo Spadini

Was manch ambitioniertem Werk abgeht, hat Brian De Palmas neuer Film im Überfluss: Seine James-Ellroy-Adaption «The Black Dahlia» ist atmosphärisch so dicht, dass sie daran zu ersticken droht, und sie kredenzt so viel Augenfutter, dass die Sehorgane Speck ansetzen. Was diesem Büfett der Leckereien derweil fehlt, ist die andernorts wiederum so grosszügig gereichte Sättigungsbeilage und die nahrhafte Unterlage. Mit anderen Worten: De Palmas Trip in die Vierziger ist kaum mehr als brotlose Kunst und bloss ein Appetithappen für cineastische Feinschmecker. Hauptverantwortlich für die knurrenden Zuschauermägen ist freilich nicht der grösste aller Regie führenden Hitchcock-Fans, sondern Drehbuchautor Josh Friedman. Anders als Kollege Brian Helgeland bei der Adaption von «L.A. Confidential» hat es dieser nämlich nicht verstanden, der Komplexität einer Ellroy-Vorlage Herr zu werden und sie kinotauglich zurechtzukürzen. Die Errungenschaften von Kamera, Setdesign und der Kostüm- und Make-up-Abteilung sind aufgrund seines unfokussierten Skripts denn auch von vorneweg den Flammen geweiht. Die daraus resultierende Asche darf sich De Palma angesichts eines desolaten Timings dann aber schon übers Haupt kippen.

Fehlkonzipiertes Drehbuch

Auf kommendes Ungemach vorausweisend, erwischt der von einem sagenumwobenen und bis heute ungelösten Mordfall inspirierte Film noir schon einen schlechten Start. Undynamisch schleppt er sich über eine fast halbstündige Einführung zum Plot-Auslöser. Mit dem Fund der zerstückelten Leiche des Starlets Elizabeth Short (Mia Kirshner), besser bekannt als schwarze Dahlie, sollte nun eigentlich endlich Schwung ins Geschehen kommen; denn was zuvor war, lässt sich getrost als Vorgeplänkel abtun, während welchem man mit den boxenden Cops Bucky Bleichert (Josh Hartnett) und Lee Blanchard (Aaron Eckhart) sowie Lees Freundin Kay (Scarlett Johansson) die Protagonisten etwas besser kennen lernt als nötig. Doch Regie und Drehbuch haben anderes vor. Statt sich auf die Kriminalhandlung zu konzentrieren, wollen sie ein Sittenbild des dekadenten und korrupten Hollywood der Vierzigerjahre zeichnen. Wiewohl einzelne Szenen dank cleverer Choreografie und filigranen Farbenspiels zu faszinieren vermögen, kommt auch dabei freilich das meiste nicht über den Status einer filmgeschichtsbewussten und zitatfreudigen Stilübung hinaus, die sich auf ganzer Linie dem Artifiziellen verschrieben hat. Die Charaktere bleiben so konsequenterweise Kunstfiguren, was nicht weiter negativ auffiele, wenn wenigstens ihre Entwicklung schlüssig wäre. Die im Buch sich stetig und bis ins Sexuelle steigernde Besessenheit Buckys und Lees mit der schwarzen Dahlie setzt jedoch zu abrupt ein, derweil die amouröse Spannung zwischen den drei Hauptfiguren nicht recht fassbar werden will.

Auf verlorenem Posten

Den Darstellern ist dies indes nur bedingt zur Last zu legen, sind sie doch Opfer von Skriptschwächen und Fehlbesetzungen. So könnte Hartnett mit seinem gewohnt eintönigen Spiel hier für einmal durchaus zu Potte kommen, wäre er nicht schlicht zu jung für diese Rolle. Eckhart, immerhin passend besetzt, scheitert seinerseits an Friedmans Figurenzeichnung. Ebenso Johansson, die im Grunde nur auf dezent verruchte Art sexy zu sein braucht, womit sie trotz De Palmas mutlosen Umgangs mit Erotik natürlich keinerlei Probleme hat. Mimische Akzente zu setzen, bleibt daher der mit Lust zur grossen Geste agierenden Hilary Swank als Shorts steinreicher Doppelgängerin vorbehalten. Wenn sie in untypischer Femme-fatale-Rolle gross auftrumpft, meint man sich ob einer massiven Tempoverschärfung notabene bereits in einem anderen Film zu befinden. Ging es über die ersten drei Viertel noch im massenhaft Längen erzeugenden Zeitlupentempo voran, klaubt De Palma aus dem Knäuel von Handlungsfäden nun noch schnell die losen Ende heraus, an die er aber nur mehr behelfsmässige Auflösungen anknüpfen kann. Bei allem nicht gering zu schätzenden und gleichwohl zu glatten visuellen Zauber fragt man sich deshalb leicht wehmütig, was wohl geworden wäre, wenn wie einst geplant David Fincher seine dreistündige Schwarz-Weiss-Version des Stoffes hätte umsetzen dürfen.