Wer wird Millionär – und was kostet es?

«Donnie Darko»-Regisseur Richard Kelly hat mit dem existenzialistischen Mystery-Thriller «The Box» einen Film gedreht, der nach starker erster Hälfte auf intellektuelle Irrfahrt geht.

 

von Sandro Danilo Spadini

Gerade erst 26-jährig war Richard Kelly, als er sich mit einem selbst verfassten Skript erstmals auf den Regiestuhl setzte und einen der meistbeachteten Erstlinge jüngeren Datums aus der Baseballmütze zauberte. Der krude Independent-Streifen «Donnie Darko» (2001) war das, was man gemeinhin einen Kultfilm nennt: halb existenzialistisches Sci-Fi-Puzzle, halb irrwitziges Teen-Drama, geliebt von einer besessenen Fangemeinde, gefeiert als ein amerikanischer Schlüsselfilm der letzten Dekade. Fünf lange und Erwartungen akkumulierende Jahre nahm sich Kelly anschliessend, ehe er dem Debüt weitere Taten folgen liess. Das apokalyptische Gesellschaftsstück «Southland Tales» war dann freilich eine Zangengeburt. Nach der miserabel aufgenommenen Premiere hatte Kelly zwar an dem verhinderten Opus magnum weitergeschnipselt; Ordnung in das von verkrampftem Wunderkind-Ehrgeiz verschuldete Chaos vermochte er aber nicht mehr zu bringen. Immerhin minderte sich durch diese sicherlich hochinteressante und Talent keinesfalls absprechende Bauchlandung der Druck für Künftiges. Den nun vorliegenden Mystery-Thriller «The Box» sollte der inzwischen 34-Jährige jedenfalls lockerer angegangen sein.

Ein unmoralisches Angebot

Und wie zum Beweis dieser These fängt «The Box» auch an: stimmungsvoll, geheimnisumwittert, mit einer Ahnung von Grossem, was da kommen möge – und mit mehr als einem Hauch von jenen Qualitäten, die «Donnie Darko» ausmachten. Eine Einblendung erklärt uns, dass wir uns Mitte der Siebzigerjahre befinden; das exquisite braunlastige Design von Set und Kostüm hätte daran indes auch keinen Zweifel gelassen. Wir lernen die Familie Lewis kennen: Mutter Norma (tipptopp: Cameron Diaz), eine Lehrerin mit Faible für Sartre; Vater Arthur (okay: James Marsden), einen Nasa-Ingenieur mit Astronauten-Ambitionen; Sohnemann Walter (Sam Oz Stone). Die Jungfamilie ist gerade in finanziellen Nöten, was sich sogleich noch verschärft, wenn Norma und Arthur gleichentags Hiobsbotschaften von der Jobfront vernehmen. Just da wird ihnen eine Lösung präsentiert – zunächst in der unverständlichen Form einer auf der Türschwelle deponierten Schachtel mit einem Knopf obendrauf, sodann in der unmissverständlichen Form eines sehr unmoralischen Angebots. Vorgebracht wird dieses von einem distinguierten, aber fürchterlich entstellten älteren Herrn (Frank Langella), und es lautet: den Knopf auf der Schachtel drücken, eine steuerfreie Dollarmillion dafür abcashen und im Gegenzug einen wildfremden Menschen die Aktion mit dem Leben bezahlen lassen. Ein – sowieso – existenzialistisches Dilemma, vor das die Lewis-Familie von diesem vielleicht regierungsnahen Agent provocateur gestellt wird – Normas Favorit Sartre hätte seine Freude daran gehabt. Eine solche hat man auch im Kinosaal, gewiss jetzt noch und umso mehr sogar, als Norma und Arthur entschieden haben. Dann nämlich verdichtet sich die Atmosphäre noch weiter, mehrt sich das Mysterium abermals, erinnert das düster-verschwörerische Ganze zusehends an «Rosemary’s Baby» oder auch an neueres Fantastisches wie «Lost».

Zu viel der Ambition

Leider jedoch kann Kelly dieses Niveau nur für eine gewisse Zeit halten – etwa eine Halbzeit lang. Wie beim Vorgänger «Southland Tales» setzt hernach eine Irrfahrt ein, auf der dann und wann wohl spannende Momente und Motive zu entdecken sind, die einen aber recht ratlos ins Ziel bringen wird. Eine Ursache hierfür mag die auf einer Kurzgeschichte des Science-Fiction-Schreibers Richard Matheson («I Am Legend») beruhende Story sein, die nicht hält, was zunächst in Aussicht gestellt wurde. Das Hauptproblem ist aber – schon wieder – die inszenatorische und intellektuelle Überambition des Regisseurs und Autors Kelly. Wild entschlossen, die ewigen Fragen nach dem Befinden der Menschheit und dem Zustand der Welt zu klären, packt er genug Ideen in seinen Drittling, um einen Vierbänder oder fünf Genrefilme zu füllen. Da kann und will man irgendwann einfach nicht mehr mitkommen – so bedenkenswert manches auch wäre und so prächtig das alles meist ausschaut.