Die fast fabelhafte Welt des Igby

Die Balance zwischen Komik und Tragik vermag Regiedebütant Burr Steers nicht immer stilsicher zu halten, wohl aber überzeugt seine schwarze Komödie durch grossartige Leistungen vor der Kamera.

 

von Sandro Danilo Spadini

Nicht minder verrückt als die Tenenbaums sind sie, diese Slocumbs, um deren jüngsten Spross Igby sich das Regiedebüt des Schauspielers und Drehbuchautors Burr Steers dreht. Fast ebenso beeindruckend wie bei Wes Andersons brillanter Tragikomödie «The Royal Tenenbaums» ist auch das Darstellerensemble, das Steers für «Igby Goes Down» gewinnen konnte. Was den Vergleich in puncto Qualität der beiden Filme angeht, verbucht Anderson jedoch eindeutige Vorteile. Zweifellos hat es zwar auch bei Steers notabene zu einer kleinen und feinen, gewitzt geschriebenen und gekonnt gespielten Independent-Produktion gereicht, doch lässt sein Erstling bisweilen die richtige Mischung aus Tragik und Comedy vermissen, verliert nach originellem Beginn zusehends an Spritzigkeit und verläuft gegen Ende schliesslich mehr und mehr in konventionelleren Bahnen.

Eine schrecklich nette Familie

Jason «Igby» Slocumb (Golden-Globe-Nominierung für den überragenden Kieran Culkin) ist ein unreifer Bengel aus sehr reichem und ebenso durchgeknalltem Haus, dem nicht einmal eine rigide Militärschule Ordnung und Disziplin aufzuzwingen im Stande ist. Sein schizophrener Vater (Bill Pullman) sitzt im Irrenhaus, seine gefühlskalte Mutter (Susan Sarandon) hat eine Schwäche für Tabletten, und für seinen rücksichtslosen Bruder (Ryan Philippe) zählt nur die Karriere. Da niemand Igby in den Griff zu kriegen scheint, schickt ihn seine Mutter zu seinem aalglatten Patenonkel (Jeff Goldblum) nach New York, wo er dessen erfolglos in der Kunstszene sich bewegende Geliebte Rachel (Amanda Peet), den narzisstischen Künstler Russel (Jared Harris) und schliesslich die toughe Studentin Sookie (Claire Danes) kennen lernt. Kurzerhand beschliesst Igby, die Schule hinzuschmeissen und sich in diesem neuen, nur scheinbar glamourösen Umfeld einzunisten, was für ihn den Auftakt zu einer Odyssee voller Dolcefarniente, Drogen- und Sexualerfahrungen bedeutet, an deren Ende er sich von einem abgestumpften und realitätsfernen Teenager zu einem emotional gereiften und einigermassen den Ernst des Lebens mit all seinen Überraschungen und Enttäuschungen erkennenden jungen Mann entwickelt haben wird.

Unerfüllte Erwartungen

«Igby Goes down» (so der Originaltitel) ist ein Film über den beschwerlichen Weg zum Erwachsenwerden, wie man ihn so erzählt noch kaum gesehen hat. Mit ungeheurer Leichtigkeit und reichlich Wortwitz und schwarzem Humor legt Steers in der ersten halben Stunde ein Furioso hin, das höchste Erwartungen weckt, die zu erfüllen der Film vor allem im letzten Drittel aber nicht ganz vermag. Unvermindert hoch ist wohl das formale Niveau, das nicht zuletzt dank der hervorragenden Arbeit von Kameramann Wedigo von Schultzendorff für ein Regiedebüt doch ziemlich erstaunlich ist, sowie die Qualität der Leistungen vor der Kamera durch das bis in die kleinste Minirolle toll zusammengestellte und fantastisch aufgelegte Ensemble, doch fügen sich die zunehmend ernsteren Töne nicht so recht in das zuvor mit leichter Hand gezeichnete Gesamtbild ein. Dort, wo «Igby» rühren möchte, will deshalb einfach nicht die adäquate Stimmung aufkommen, was einerseits zu einer gewissen Inkohärenz, anderseits mitunter sogar zu einigen Längen führt. Und so bleibt für Burr Steers fürs Erste bloss ein Platz im Schatten eines Wes Anderson und der anderen jungen Wilden aus der neuen Regiewunderkind-Generation Amerikas. Gleichwohl sollte man sich diesen Namen für die Zukunft merken. Denn «Igby» mag zwar kein Geniestreich sein, wäre aber um ein Haar einer geworden.