von Sandro Danilo Spadini
Das Gegenteil von gut gemeint sei gut gemacht, sagt der Zyniker. Und wenngleich für Zynismus bei einem Film wie «Machine Gun Preacher», der von Bürgerkrieg und Kindersoldaten handelt, definitiv kein Platz ist: Nach den 129 Minuten Spielzeit
kann man nicht umhin, zu resümieren, dass der Schweizer Regisseur Marc Forster mit diesem Actiondrama trotz sicherlich besten Absichten einen reichlich verknorzten Film hingelegt hat. An dessen
Anfang steht eine erschütternde Szene, die ein Massaker im Südsudan zeigt. Gleich darauf jedoch wird nach Pennsylvania geschaltet. Daselbst stapft unser vom schottischen Grobmotoriker Gerard
Butler verkörperter Protagonist in ärmellosem T-Shirt und Lederweste aus dem Knast. Als Erstes gibts ein ganz schnelles Nümmerchen im Auto mit der rassigen Gattin Lynn (Michelle Monaghan) – klar,
da hat sich was angestaut im Bau. Und auch sonst scheint er sich erst mal Luft machen zu müssen: Er schimpft über fehlende Raucherwaren und Alkoholika, staucht Lynn zusammen, weil «die Schlampe
zu Jesus gefunden» und mit dem Strippen aufgehört hat, schnauzt auch die Mama (Kathy Baker) an und schwingt sich auf die alte Harley.
Aus allen Rohren
Dies freilich ist nicht die Geschichte eines ausgemachten Schweinepriesters, sondern jene reale des «Maschinengewehrpredigers» Sam Childers. Auch er wird nach einer Nacht mit Heroinrausch,
Raubüberfall und Messerstecherei den Weg zu Lynns Kirchgemeinde finden. Und ehe man Amen sagen kann, ist der Raufbold bereits reformiert und wiedergeboren, ein prima Papa und artiger Arbeiter –
Halleluja! Zu diesem Zeitpunkt sind gerade mal 20 Minuten gespielt, und die waren trotz dieser komplett unplausiblen Wandlung recht ansehnlich. Ein herber Hauch jenes Unterschichtsrealismus hat
hier geweht, der Forsters Durchbruchfilm «Monster’s Ball» so kraftvoll machte. Doch nachdem ein Tornado Sams Haus weggefegt hat, verfliegt rasch auch dieses Momentum, so wie hier alles sehr
schnell geschieht. Nun macht sich Sam auf zu neuen Ufern: in den Norden Ugandas, wo die Lord’s Resistance Army von Joseph Kony seit Jahren Unfassbares anrichtet, gerade an Kindern. In diesem
Bürgerkriegsgebiet wird Sam nun endgültig zum Soldaten Gottes – zu einem Bibel-Rambo, der ein Waisenhaus baut und aus allen Rohren schiesst, um «seine» Kinder zu beschützen.
Zweidimensionaler Held
So ambivalent wie der trashige Filmtitel ist denn auch der darin bezeichnete Held, der seinen humanitären Dienst mit Furor und Terror tut («über Frieden zu reden, ist Zeitverschwendung»). Wodurch
wird Sam getrieben? Von Gott? Von Dämonen? Vom Ego? Der Film weiss es nicht, und es ist ihm wohl auch egal. Dadurch aber erscheint dieser Sam Childers nicht als die reale Person, die er ist,
sondern als eine zweidimensionale Figur in einer ebensolchen Saga um Gut und Böse, Schwarz und Weiss: So viele Gefecht man hier auch sieht – der innere Kampf von Sam wird nicht sichtbar. Klar,
ein versierterer Mime als Gerard Butler – wie der in einer Nebenrolle unterbeschäftigte Michael Shannon etwa – hätte hier vielleicht mehr rausholen können. Doch zuvörderst ist dies das Versäumnis
von Forster und des Drehbuchs von Debütant Jason Keller. Exemplarisch zeigt sich das, wenn Sams Tun von einer pazifistischen Entwicklungshelferin endlich mal hinterfragt wird – und die Szene
schliesst, ohne dass man Sams Reaktion darauf gesehen hätte! Was ein entscheidender Augenblick sein müsste für die Ergründung dieses so wütenden Mannes, wird einfach verschenkt. Leichtfertig.
Oder aus Bequemlichkeit. Natürlich gibt es hier ethische Dilemmas, die sich einer befriedigenden Lösung entziehen. Der Film ist aber so ratlos wie wir. Schlimmer noch: Er macht sich kaum je die
Mühe, Denkanstösse zu liefern. Doch ohne solche hat die ganze Geschichte weder tieferen Sinn noch höheren Wert, zumal sie auch die politischen Hintergründe des Konflikts nicht weiter kümmern und
dessen Opfer gesichtslos bleiben. Die Wege des Herrn sind unergründlich, jene von Marc Forster hier leider auch. Noch mal: Es ist bestimmt so, dass alle mit Herzblut am Werk waren. Nur spürt man
das zu wenig.