von Sandro Danilo Spadini
Jetzt aber ist für den indischstämmigen Regisseur M. Night Shyamalan die Stunde der Wahrheit gekommen. Jetzt wird sich weisen, ob der Schöpfer des Kassenschlagers «The Sixth Sense» wirklich das
Zeug zum neuen «Master of Suspense» hat oder ob sich die Parallelen zu seinem Idol Alfred Hitchcock bloss auf seine Kurzauftritte in den eigenen Filmen beschränken. Denn jetzt kommt sein
märchenhafte Züge tragender Thriller «The
Village» in die Kinos, und nachdem Shyamalan mit dem «The Sixth Sense»-Nachfolger «Unbreakable» eine mehr als nur leise Enttäuschung vom Stapel gelassen und sich anschliessend mit dem
Kornkreis-Kasperltheater «Signs» nachgerade der Lächerlichkeit preisgegeben hat, sind die Argusaugen des kritischen Betrachters weit geöffnet. Um die Spannung, die einst ein guter Freund
Shyamalans war, im Keim zu ersticken: Auch «The Village» taugt nichts, ja es ist dies gar der schlechteste Shyamalan-Film bislang. Da kann er sich vor seinen Vorbildern verbeugen, bis ihm das
Kreuz wehtut, nichts wird sich an dieser traurigen Tatschache ändern. Nicht der legitime Hitchcock-Nachfolger ist geboren, sondern allenfalls ein illegitimer Sohn des untalentierteren
Grimm-Bruders. Mit Pauken, Trompeten und gehörig nervenden Violinen rasselt das vermeintliche Wunderkind durch die Prüfung. Note 1, setzen!
Vermeintliches Idyll
Die bloss kümmerliche Spurenelemente von Dramatik aufweisende Story von «The Village», in der wie meist bei Shyamalan vieles nicht so ist, wie es scheint, spielt sich in einem abgelegenen Dorf in
den Wäldern von Pennsylvania ab. Hier hausen friedfertige, genügsame Menschen wie der sehr ernste und etwas hüftsteife junge Mann mit dem lustigen Namen Lucius Hunt (Joaquin Phoenix) oder dessen
weit lebensfrohere blinde Verehrerin Ivy (Bryce Dallas Howard). Man schreibt das Jahr 1897, man spricht in einer Sprache, gegenüber der jene von Jane Austen wie Hip-Hop-Slang klingt, und man
fürchtet sich vor bösen wie mysteriösen Kreaturen, die im Wald ihr Unwesen treiben und die Leute davon abhalten, die grüne Grenze zur sündigen Stadt zu überschreiten. Dann aber geschieht ein
Unglück, und jemand aus dem Dorf ist gezwungen, in der Stadt die lebensrettende Arznei zu besorgen. Aber eben: Vorsicht vor dem bissigen Waldschrat!
Langweilig, langweilig, langweilig
Vieles ruft in «The Village» zunächst schlechte Erinnerungen an den Vorgänger «Signs» hervor. Dass es letztlich dankenswerterweise anders kommt, gehört zu den raren Überraschungen, die Shyamalans
erneut nur optisch gefälliger Fehlgriff zu bieten hat. Ansonsten wird gesprochen, viel gesprochen, und das immer ganz ernsthaft, geschwollen und höchst zähflüssig. Fast jede einzelne Szene muss
sich präsentieren, als ob sie im neunten Monat schwanger mit Bedeutung wäre. Das geht mit der Zeit nicht nur auf die Nerven, sondern auch auf den Keks, den Wecker, den Zeiger, den Senkel und den
Sack. Und wie immer bei Filmen, die sich so unsagbar ernst nehmen und partout die Kirche nicht im Dorf lassen können, ist die unfreiwillige Komik nicht weit. So ist auch die illustre Schar an
Stars – darunter Adrien Brody als linkischer Dorfnarr, William Hurt als mühsam weiser «Opinionleader» und Sigourney Weaver in einer undankbar blassen Rolle – nicht davor gefeit, in den ganzen
Sumpf aus Muff und Kitsch gezogen zu werden. Schade ist das vor allem für Bryce Dallas Howard, die Tochter des «Beautiful Mind»-Regisseurs Ron Howard, die hier in ihrer ersten grösseren Rolle zu
sehen ist und trotz Talentprobe auf verlorenem Posten steht – allein gelassen von einem Regisseur, der nun offenbar endgültig von jenen guten Geistern verlassen wurde, die ihm einst zum grossen
Durchbruch verholfen haben.«The Village» handelt von Isolation, Paranoia und der Macht der Angst. Eine politische Deutung böte sich da durchaus an, doch kann darauf mangels spannender
Erkenntnisse ebenso getrost verzichtet werden wie auf das zwar gewiss berechtigte, aber müssige Lamentieren über Logiklöcher und die Absurdität der Geschichte. Denn unter dem Strich ist «The
Village» nur langweilig, langweilig, langweilig, weshalb M. Night Shyamalan jetzt mit gutem Gewissen aus den Cineasten-Notizbüchern gestrichen und als Eintagsfliege verbucht werden kann.