Gefangen in einer Ritze

Tom Hanks agiert in der mehr komischen als tragischen, mehr zucker- als bittersüssen Mainstream-Produktion «The Terminal» einmal mehr in seiner Paraderolle als naiver Gutmensch.

 

von Sandro Danilo Spadini

Endstation Flughafenhalle. Während Victor Navorski (Tom Hanks) sich im Flieger nach New York befindet, sind in seinem (fiktiven) osteuropäischen Heimatland Unruhen ausgebrochen. Als die Maschine landet, ist sein Pass bereits ungültig. Ein Visum kriegt er so natürlich nicht, doch zurückschicken kann man ihn ja auch nicht. Navorski steckt fest. Sein neues Zuhause ist vorderhand die Flughafenhalle, genauer: Gate 67 des Flughafens JFK. Aus Tagen werden Wochen werden Monate, und immer mehr recht als schlecht findet sich der geduldige Gutmensch in dieser fremden Umgebung zurecht, macht Bekanntschaften, findet Freunde und sogar etwas Romantik.

Modifiziertes reales Leben

Victor Navorski ist in Steven Spielbergs neuem Streich «The Terminal» gefangen einer Ritze des Systems, wie es der gestrenge, sich auf eine unsinnige Privatfehde mit ihm einlassende Flughafen-Sicherheitschef in spe (Stanley Tucci) ausdrückt. Absurd? Unglaubwürdig hoch zehn? Entsprungen dem kindlichen und bisweilen kindischen Vorstellungsvermögen Spielbergs? Moment mal! Nicht so hastig! «The Terminal» beruht in der Tat – wenn auch sehr, sehr lose – auf dem realen Fall eines psychisch allerdings nicht ganz so rüstigen Iraners, der noch heute im Pariser Flughafen Charles de Gaulle haust. Wie schon in «Catch Me if You Can» vertraut Spielberg also darauf, dass das Leben die besten Geschichten schreibt – modifiziert freilich mit einer XXL-Portion Hollywood-Schmonzes. Denn ganz so real darf eine Geschichte bei Spielberg naturgemäss nicht sein. Ist ja manchmal richtig schmutzig und tragisch, dieses blöde richtige Leben. Lieber lässt es Spielberg in «The Terminal» so schön menscheln, dass man glauben könnte, diese Welt sei ein einziger Hort der Nächstenliebe. Mit der Nonchalance eines Mannes, der alles erreicht hat, versucht Spielberg erst gar nicht, dieser an sich kafkaeske Züge tragenden Geschichte etwelche bitter- statt zuckersüsse Momente abzugewinnen. Und das ist zum (kleineren) Teil gut – und zum (grösseren) Teil weniger gut.

Zwischen den Stühlen

Es ist letztlich ein Märchen in bester Frank-Capra-Tradition, das uns Spielberg hier präsentiert. Angesiedelt im glitzernden, pulsierenden Mikrokosmos der – notabene künstlichen, aber hochgradig authentisch wirkenden – Flughafenhalle, wirkt die Geschichte geradezu anachronistisch. Dumm nur, dass die Story zu wenig Substanz hat, um einen 128-minütigen Film zu tragen. Derweil die erste Stunde noch flüssig und heiter verläuft, stellen sich im zweiten Abschnitt denn auch unwillkommene Längen ein. Löblich ist es zwar, dass sich Spielberg beim Erzählen Zeit lässt und einen so gleichsam in die Situation des Titelhelden versetzt; doch nutzt er diese Zeit nicht, um dessen Charakter zu formen, sondern verplempert sie mit mitunter haarsträubend sentimentalen Episoden. Das eigentlich tragische Los dieses Victor Navorski, einer osteuropäischen Version von Forrest Gump, von Hanks souverän mit der herkömmlichen Mischung aus Naivität und Bauernschläue gespielt, wird so an wohlfeil dargebotene Komik und allerlei Kitsch verkauft. Kritische Töne betreffend Immigrantenschicksale oder die rigorose US-Einreisepolitik bleiben überdies erwartungsgemäss aus, denn Spielberg will es wieder einmal allen recht machen und entwirft stattdessen eine simple Wohlfühlwelt für alle. Eine Welt, in der sich etwa wunderhübsche, toughe Flight-Attendants wie Amelia (Catherine Zeta-Jones) in Leute wie Victor Navorski verlieben. «Sie könnten jeden Mann haben, warum Navorski?», fragt der Sicherheits-Heini einmal. «Das ist etwas, das ein Mann wie sie nie verstehen könnte», antwortet Amelia. Okay, wir verstehen es auch nicht, aber wurscht. Glaubwürdigkeit war ja noch nie die Stärke des Steven S, und man kann es auch so sehen: Immerhin telefoniert hier kein Ausserirdischer vom Münzfernsprecher nebenan nach Hause, und es latschen auch keine Dinosaurier über die Landebahn. Ebenso kommt «The Terminal» grösstenteils ohne dramatische Zuspitzungen aus, was grundsätzlich okay wäre. Doch geht Spielberg, sich ganz dem Mainstream verpflichtet fühlend, nur den halben Weg, packt die Chance zur Charakterstudie nur halbherzig an und bleibt so zwischen den Stühlen sitzen. Ausstaffiert ohne jegliche Ecken und Kanten, ist Navorski letztlich bloss ein weiteres putziges Figürchen aus Spielbergs Puppenkiste – eines, dem man wohl alles Glück der Welt gönnt, dessen scheinbar endlose Geduld und Genügsamkeit aber anstrengt. Auch deshalb kommt man sich in diesem Terminal mit der Zeit so vor wie beim Warten auf den verspäteten Flug: anfangs noch amüsiert ob des munteren Treibens, allmählich aber bloss noch gelangweilt und gar ein wenig genervt.