Die Überzeugungskraft der edlen Tropfen

Regisseur Ridley Scott und sein Hauptdarsteller Russell Crowe verlieben sich in der durchaus vergnüglichen Komödie «A Good Year» in die Provence und ihre mannigfaltigen Reize.

 

von Sandro Danilo Spadini

Zugegeben: Die Exposition der auf einem kränkelnden provenzalischen Weingut beheimateten Komödie «A Good Year» könnte reizvoller sein, und die Auftaktminuten von Ridley Scotts neustem Streich sind denn auch lupenreiner Essig. Wir sehen den selbst für Hollywood-Verhältnisse exorbitant altklugen Jüngling Max (Freddie Highmore), wie er mit seinem Onkel Henry (Albert Finney) im sonnendurchfluteten Garten von dessen Château Schach spielt und dazu verdünnten Wein verkostet. Es wird keck philosophiert, denn besagter Onkel Henry ist eine dieser immer wieder gerne aufgebotenen Figuren, die in ihrem langen Leben alles gesehen haben und sich entsprechend bemüssigt fühlen, in einem Fort ihre gesammelten und mit Löffeln gefressenen Weisheiten abzusondern. Ein normales Gespräch lässt sich mit diesem Kauz nicht führen, stattdessen kriegt man Dinge zu hören wie: «Wein lügt nicht.» So, so, tut er das nicht? Womit er sich also von was genau unterscheidet? Den Lügenbolden Wasser, Fanta und Holunderblütensirup?

Verliebter Börsianer

Wir werden es nie wissen, uns in der Folge ob ähnlich Gehaltvollem aber auch nicht mehr allzu lange den Kopf zerbrechen müssen. Das Schlimmste ist hiermit nämlich bereits überstanden, zumal es sich für Onkel Henry bald einmal ausphilosophiert hat. So grüsst unser Weinliebhaber nach einem beherzten Zeitsprung nur noch sporadisch aus dem Rückblenden-Jenseits, und aus dem kleinen Max ist unterdessen ein dicker Börsianer-Maxe geworden, der sich mit Lust am flotten Spruch in charmanter Arroganz übt und nunmehr von Russell Crowe gespielt wird. Was nun folgt, ist freilich so gewiss der Kater nach zügellosem Fuselverzehr, dabei aber durchaus zum Schmunzeln angetan: Max erbt das Weingut, freut sich auf den Erlös aus dem geplanten Verkauf, müht sich vom hektischen London in die gemütliche Provence, verliebt sich dort in eine Deuxchevaux fahrende (!) Kellnerin (Marion Cotillard), freundet sich mit seinem Proust zitierenden (!!) Winzer (Didier Bourdon) an, befleissigt sich eines ziemlich affigen Kleidungsstils, wandelt sich nach und nach und verliebt sich auch noch in das Château und die Gegend überhaupt. So weit, so gängig, und auch die Ankunft von Onkel Henrys unehelicher Tochter Christie (Abbie Cornish) vermag dem Ganzen keine wirklich spezielle Note zu verleihen.

Flotter Witz

Was der Reunion von Ridley Scott und seinem Gladiator Russell Crowe bei aller Überzuckerung und trotz vollständigen Ausbleibens von handlungs- oder figurentechnisch Originellem schliesslich doch noch ein beschwingtes Prosit beschert, ist der Schmäh des auf Peter Mayles Bestseller basierenden Drehbuchs von Marc Klein. Während Regie und Kamera besoffen von den mannigfaltigen optischen Reizen durch die überlebenspittoreske Szenerie torkeln und sich wie eine hysterisch knipsende japanische Touristengruppe benehmen, brechen dessen pointierte Dialog die gar gediegene Idylle glücklicherweise immer wieder auf. Auch die miefige Saulus-Paulus-Wandlung wird vom Skript unter Mithilfe des lässig gegen ein ganzes Eichenfass voll Klischees anspielenden Russell Crowe entschärft, womit schon einmal einige Parker Points gewonnen sind und so mancher im Grunde unverzeihliche Lapsus eben doch entschuldbar wird. Versäumt haben es Scott und Klein derweil, Crowes australischer Landsfrau Abbie Cornish eine ihr würdige Bühne zu bereiten. Fern vom Spotlight links liegen gelassen und in einer Rolle, aus der kaum etwas herauszuholen ist, hat das 24-jährige Riesentalent leider keine Chance, den im Teenagerdrama «Somersault» erworbenen Ruf als neue Nicole Kidman zu zementieren. Action-Spezialist Scott hingegen beweist nach der herrlichen Gaunerkomödie «Matchstick Men» erneut einen feinen Sinn für Humor und liefert letztlich souverän eine nonchalante Fingerübung mit Wohlfühl-Zertifikat ab. Flach im Bouquet, samtig am Gaumen und kurz im Abgang ist «A Good Year» zwar kein Spitzenjahrgang, macht aber wider Erwarten weder Kopfweh noch Sodbrennen.