Und alle acht Minuten grüsst der Bombenknall

David Bowies Sohn Duncan Jones festigt mit seinem Zweitling «Source Code» den Wunderkind-Status – auch wenn in diesem Science-Fiction-Thriller mehr Hollywood drin ist als im Debüt.

 

von Sandro Danilo Spadini

Selbst wenn sie für einmal nicht entgleisen – in Filmzügen geschieht meist Ungutes: Im Orient-Express wird gemordet, bei Hitchcock werden unlautere Pläne geschmiedet, und auf dem Weg nach Venedig trifft Johnny Depp zu niemandes Vorteil auf Angelina Jolie. Auch im Zug, der im Loop durch den Thriller «Source Code» braust, fährt der Schrecken mit: in Form einer Bombe, die hochgehen und sämtliche Passagiere töten wird – und das immer und immer wieder aufs Neue. Wie das geht? Das wüsste Afghanistan-Veteran Colter Stevens (Jake Gyllenhaal) auch gerne. Er fährt ebenfalls im Zug mit und ist als unbescholtener und ahnungsloser Passagier hier Referenzwert wie Identifikationsfigur.

An mehreren Fronten

Wir wie Colter erhalten freilich relativ rasch erste Informationen aus einer militärischen Kommandozentrale im Irgendwo. Nachdem die Bombe ein erstes Mal explodiert ist und auch unseren Helden getötet hat, wacht dieser in einer Art Kapsel auf. Auf einem Bildschirm spricht eine uniformierte Frau namens Goodwin (Vera Farmiga) auf den nur zunächst verwirrten Armeemann ein. Sie klärt ihn darüber auf, dass nicht er im Zug gestorben sei, sondern irgendein Lehrer, dessen Hirn man behändigt und dessen Identität man ihm übergestülpt habe. Getan hat man das, weil man Colter mittels einer allerneusten Technik nach Belieben in diesen Zug zurückschicken kann; und das tut man wiederum, um herauszufinden, auf wessen Konto das Attentat geht, das nur der Vorläufer eines nuklearen Anschlags auf Chicago gewesen sein soll. Das «Source Code» genannte Verfahren hat mit Quantenmechanik, elektromagnetischen Feldern und parabolischem Irgendwas zu tun – so genau erklärt einem das niemand, und man muss das ja auch gar nicht en détail wissen. Was derweil wichtig ist: Die Stippvisiten in die Parallelwelt dauern immer genau acht Minuten (die Begründung dafür kann man sich dann wieder schenken). Nochmals zusammengefasst: Der sich weiss der Kucker wo befindende Colter wacht also als Lehrer in einem der Explosion geweihten Zug auf und darf dort zunächst mit der reizenden Michelle Monaghan schäkern. Sodann fahndet er nach dem Bombenleger. Nacht acht Minuten ist Schicht im Schacht und Colter zurück in der Kapsel. Dort berichtet er Goodwin und dem frankensteinischen Wissenschaftler Rutledge (Jeffrey Wright) von seinen Fortschritten. Nebenbei eröffnet er eine zweite Front, indem er herauszufinden trachtet, was eigentlich im richtigen Leben so mit ihm abgeht. Und schliesslich gibts noch Unbilden mit dem Kapselding.

Wie ein alter Hase

Alles klar? Nein? Auch wurscht, denn diese Science-Fiction-Mischung aus «Groundhog Day» und «The Manchurian Candidate» funktioniert selbst dann, wenn man bei den Erläuterungen weghört. Geleistet hat das Regisseur Duncan Jones, dem nach dem philosophisch schwergewichtigen Husaren-Erststreich «Moon» bereits Wunderkind-Status zugesprochen wurde (wobei intensivierend der Umstand wirkte, dass er David Bowies Sohn ist). Thematisch ist «Source Code» durchaus mit dem Vorgänger verwandt: Auch hier geht es um Identität und ein menschliches Versuchskaninchen. Doch lieferte Jones zu «Moon» noch die Idee, so hat er nun mit der Story nichts zu tun. Seine ungeteilte Aufmerksamkeit konnte damit der Knacknuss gelten, die vertrackte Erzählung zum Laufen zu bringen. Gelöst hat er das wie ein alter Hase. Zackig und zügig geht es zu und her und also völlig anders als im zeitlupenhaften «Moon». Weit mehr als dieser ist «Source Code» denn auch ein Hollywood-Film. Und auch das lässt sich letztlich darauf zurückführen, dass Jones hier keinen eigenen Stoff verfilmt hat. Anzumerken ist das dem Film insofern, als Jones die Handlung nicht mitteilungsbedürftig von filmfernen Erklärungsversuchen ausfranzen und bremsen lässt, sondern pragmatisch mit den genretypischen Oberflächenreizen ausschmückt und beschleunigt: mit astreiner Action etwa oder einer lauen Liebelei. Dabei ist er sich der Cleverness des Drehbuchs von Kinoneuling Ben Ripley freilich jederzeit bewusst – und der eigenen Gewitztheit sowieso. Auch dieses (berechtigte) Selbstbewusstsein ist es, das hier noch das Absurdeste so selbstverständlich erscheinen lässt.