Dieser Sherlock Holmes kombiniert mehr mit den Fäusten

Auch in Teil zwei der top modernisierten neuen Sherlock-Holmes-Reihe serviert das Team um Chef Guy Ritchie ein saftiges Stück Entertainment, das verschiedenste Geschmäcker bedient.

 

von Sandro Danilo Spadini

Eine Explosion, eine schöne Frau, eine Schlägerei: Alles, was das Männerherz begehrt, gibts schon in der Ouvertüre von «Sherlock Holmes: A Game of Shadows». Und fraglos und fürwahr ist das ein Vorgeschmack auf das, was noch folgen wird. Halbwegs wenigstens. Denn recht eigentlich wird diese herzhafte Doppelstunde nicht nur Herren ansprechen, und die schöne Frau mit Namen Irene muss grad auch bald schon wieder Adieu sagen. Irene (Rachel McAdams) spielt nämlich wie schon vor zwei Jahren in Teil eins auch hier mit dem Feuer: Anstatt sich damit zu begnügen, Sherlock (Robert Downey Jr.) den Kopf noch weiter zu verdrehen, hat sie sich abermals mit üblen Gesellen eingelassen. Und dieses Mal endet die Sache nicht so glimpflich, sondern bereits nach einer Viertelstunde auf dem Boden einer Beiz. Dorthin befördert wurde Irene von einem, der herrschen will, der verdienen will, der manipulieren will: von Professor Moriarty (Jared Harris), dem soziopathischen Mathematiker, Buchautor, Dozenten und Ex-Boxchampion, dem «Napoleon des Verbrechens», dem Rivalen, Erzfeind, Nemesis und grossen Gegenspieler von Sherlock Holmes. Der wäre nun also gefordert, doch ist der Herr Meisterdetektiv momentan gerade etwas unpässlich. «Er muss ins Sanatorium», findet gar seine Vermieterin (Geraldine James) zu Dr. Watson (Jude Law). Aber ganz so schlimm ists dann doch nicht.

Mit Bond im Bund

Kaum hat Sherlock die eine oder andere Schraube wieder angezogen, steht er wohl nicht mit beiden Beinen fest auf dem Boden, doch schon knietief in einem Sumpf internationaler Verwerfungen. Orchestriert haben die Tumulte auf dem europäischen Festland freilich nicht etwa Anarchisten oder Nationalisten welcher Couleur auch immer; verantwortlich dafür ist vielmehr die gebündelte kriminelle Energie des überhaupt nicht zerstreuten Profs. Ihn zu bremsen, geniesst fürderhin Priorität. Doch ist Moriarty ein würdiger Widersacher für Holmes, weshalb dieser quasi unentwegt in irgendeinem Schlamassel steckt. Wie er da jeweils rein gerät und sich daraus wieder befreit – das wiederum geniesst für Regisseur Guy Ritchie Priorität und ist ihm weit wichtiger als das Hantieren auf Handlungsebene. Entsprechend ist auch sein zweiter «Sherlock Holmes» in erster Linie wieder ein Actionfilm mit einem Titelhelden, der wie sein Landsmann James Bond fast lieber mit etwelchen Apparaturen oder den Fäusten kombiniert als mit den grauen Zellen. Gänzlich vernachlässigt wird die vom Ehepaar Michele und Kierean Mulroney ersonnene Geschichte indes nicht – diese Lektion hat Ritchie offenbar gelernt aus seinen sinnlos stilverliebten Superflops zwischen «Snatch» und dem ersten «Sherlock Holmes». Anders als früher weiss der einstige Madonna-Gatte mittlerweile auch, wann es reicht mit Schnickschnack, Firlefanz, Tohuwabohu, Kokolores und Papperlapapp.

Das gewisse Extra

Dass Ritchie den Dreh rauskriegen würde, zeichnete sich ja schon in Teil eins ab. Und prompt hat «A Game of Shadows» nun alles, was den Vorgänger gefällig machte: Downey Jr., zerzaust und unrasiert wie ehedem, ist wieder sein vereinnahmendes Selbst und versteht sich erneut blendend mit Law; «Mad Man»-Star Harris ist als Bösewicht geradeso grandios wie Mark Strong; und die Choreografie der Keilereien ist so ausgeklügelt wie der Witz der Worte. Was dieser zweite Teil noch extra zu bieten hat, sind ein rhetorisch aus allen Rohren schiessender Stephen Fry als Sherlocks Bruder Mycroft und Lisbeth-Salander-Darstellerin Noomi Rapace als Gypsy-Wahrsagerin; sind vielfältigere und wuchtigere Schauplätze; und sind noch cleverer choreografierte Keilereien und noch witzigere Worte. So charmant geistreich wie die ins Jetzt versetzte neue TV-Serie «Sherlock» ist zwar auch der zweite Teil dieser im Gestern belassenen und gleichwohl topmodernen Reihe nicht. Doch kommen hier dafür praktisch alle auf ihre Kosten: ob man nun das grosse Spektakel schätzt oder den lässigen Humor oder das erlesene Dekor oder das ausgesuchte Schauspiel oder den gepflegten Nervenkitzel oder die sorgfältige Bildkomposition. Kurzum: Wer das Kino(-Abenteuer) liebt, findet hier die richtige Kombination.