Das Monster ist tot – es lebe das Monster

Der vierte Teil der «Saw»-Reihe bietet wiederum ganz gute, wenngleich gar garstige Genreunterhaltung. Ein gewisses Überraschungsdefizit und ein Gewaltüberschuss trüben das Ergebnis jedoch.

 

von Sandro Danilo Spadini

Das Konzept, dem die Kinodelikte der fragwürdigen neuen Kategorie des «Torture Porn» (Folterporno) folgen, ist so simpel wie zynisch: Unter einem Minimum an künstlerischer Befähigung und moralischer Integrität kredenzen meist junge Filmemacher einem meist jugendlichen Publikum dermassen garstige Schlachtplatten, wie sie nicht einmal die unappetitlichsten Machwerke der Vorläufergenres Splatter oder Slasher auf dem Menüzettel hatten. Das scheint mancherorts bestens anzukommen; hierzulande jedoch haben es Filme dieser Art, also vom Schlage «Hostel» oder «Captivity», ungleich schwerer und schaffen ungeachtet der horrenden Einspielergebnisse gerade im angelsächsischen Raum den Sprung von der schummrigen Videothekenecke auf die Leinwand kaum je. Wenn die «Saw»-Franchise hierbei eine Ausnahme bildet, hat das denn wohl auch damit zu tun, dass es in den nun schon vier Teilen dieser Reihe um mehr geht als sinnlose Gewaltexzesse zwecks Ergötzung eines abgestumpften Publikums im Blutrausch.

Aus der Magengrube

Nicht dass die von einem pseudophilosophischen Denkmantel umhüllten «Saw»-Filme einen subversiven Kommentar zum filmischen Folter-Phänomen bereithielten oder sich deren Macher in Zurückhaltung bei der Gewaltdarstellung übten; doch wenigstens haben sie den Anstand, das grauslige Gemetzel in eine Handlung mit Hand und Fuss zu verpacken, sodass das Ganze gerade noch als (Horror-)Thriller mit der dazugehörigen Genre-immanenten Gewalt durchgeht. Die Schilderung der Gräuel ist hier mithin nicht Selbstzweck, sondern kann unter Umständen als Instrument gesehen werden, mit welchem – gewiss weit weniger versiert als etwa im Klassiker «Seven» – der Pessimismus und die Perversion eines psychopathischen Täters sichtbar gemacht werden sollen. Immerhin. Und gut gemacht sind diese «Saw»-Filme halt trotzdem. So mit Abstrichen auch Teil vier, der freilich mit einer extrem ungustiösen Darstellung einer Autopsie beginnt. Der da auf dem Seziertisch liegt, ist wohlgemerkt niemand anders als der die bisherigen Episoden quasi als Regisseur im Film bestimmende Psychopath persönlich: Der längst todkranke Jigsaw (Tobin Bell) ist nun also doch noch seinen (vermeintlich?) sündigen Opfern in die Hölle gefolgt. Wer indes glaubt, nun sei «Game Over», irrt gewaltig. In seinem Magen entdecken die Leichenbeschauer nämlich eine Kassette, welche die Anleitungen zu Runde vier seines «Spiel des Lebens» enthalten.

In die Magengrube

Ins Visier genommen hat Jigsaw dieses Mal die Gesetzeshüter, allen voran den unglückseligen Polizeioffizier Rigg (Lyriq Bent), der seit Teil zwei Zeuge von gar viel Unsäglichem geworden ist. Nun geht es für Rigg darum, zwei Kollegen zu retten, die sich in den Fängen eines Jigsaw-Jüngers befinden. 90 Minuten Zeit hat er dazu, und weil Jigsaw auch immer erzieherisch wirken will, hat Rigg in diesen 90 Minuten, mit denen es die Regie freilich nicht allzu genau nimmt, mehrere Prüfungen zu bestehen, welche die Rettung oder Auslöschung menschlichen Lebens beinhalten. Parallel zu Riggs Vita-Parcours der anderen Art stöbert das FBI in Jigsaws Vergangenheit, wobei auch die Ex des Monsters verhört wird, was wiederum dem seit Teil zwei als Regisseur amtenden Darren Lynn Bousman Anlass gibt, seine Hauptfigur in Rückblenden «auferstehen» zu lassen. Insgesamt turnt «Saw IV» unter gewohnt hektischer Schnittfolge auf vier Handlungsebenen herum. Allzu komplex wird es darob gleichwohl nicht. Durch Festhalten an der formalen «Corporate Identity» und am altbekannten inhaltlichen Konzept mangelt es dem Ganzen vielmehr etwas an Überraschungseffekten, wodurch der Eindruck entsteht, die Autoren hätten sich dieses Mal zuvörderst mit dem Ersinnen von neuen Foltertechniken befasst und der Regisseur versuche die temporäre Einfallslosigkeit durch immer ekligere und explizitere Gewaltschilderungen zu kompensieren. Und das bringt die Kiste nochmals in Teufelsküche. Denn Zynismus und Garstigkeit hat man so lange toleriert, wie das Skript mit einem spannungs- und wendungsreichen Plot zu fesseln vermochte. Dank einer Steigerung im Schlussspurt und einer allmählichen Drosselung des Blutausstosses kriegt aber schliesslich auch Teil vier noch die Kurve. Aber nur haarscharf.