Der Club der tollen Mädchen

In Mike Newells nach bewährten Mustern ablaufendem Emanzipationsdrama «Mona Lisa Smile» überzeugt zwar das weibliche Staraufgebot, ansonsten bleibt aber vieles Stückwerk.

 

von Sandro Danilo Spadini

Am 27. Januar, wenn die Oscar-Nominierungen bekannt gegeben werden, könnte auf ihrem Gesicht wieder dieses berühmte Lächeln erscheinen, für das sie Millionen lieben. Die Chancen dafür, dass Julia Roberts’ Gesichtsmuskeln an diesem 27. Januar allzu arg strapaziert werden, stehen allerdings nicht so gut wie von den Machern ihres neuen Films erhofft: Unter den Augen der Golden-Globe-Juroren, deren Auswahl als Richtschnur für die Oscar-Nominierungen gilt, fand sie mit ihrer Leistung im Drama «Mona Lisa Smile» jedenfalls keine Gnade... Zumindest am Rollenprofil wird es aber nicht gelegen haben, sollte Roberts, die den begehrten Goldjungen bekanntlich bereits ihr eigen nennen darf, Ende Februar im Kodak Theatre zu Hollywood bloss zum glamourösen Beiwerk der Oscar-Nacht zählen. Dieses bietet nämlich sehr wohl das nötige Potenzial, um bei den sich dem Rührseeligen keineswegs verschliessenden Academy-Mitgliedern zu landen: Roberts gibt eine fortschrittliche Kunstgeschichtsprofessorin, die es im Jahre 1953 ausgerechnet an das konservativste Mädchen-College der USA verschlägt, eine Hochburg der nationalen Intelligenz und Tugend, an der die kesse Neue mit ihren modernen Lehrmethoden und von emanzipatorischem Gedankengut geprägten Ratschlägen natürlich gewaltig aneckt – und dabei stets das Verständnis des ob all der Bigotterie und dem allgegenwärtigen Sexismus brüskierten Publikums auf ihrer Seite weiss.

Bewährte Formel

Das Muster von «Mona Lisa Smile» ist hinlänglich bekannt aus Filmen wie «Dead Poets Society» (Oscar-Nominierung für Robin Williams), «Mr. Holland’s Opus» (Oscar-Nominierung für Richard Dreyfuss) oder jüngst «The Emperor’s Club» (nix mit Nominierung für Kevin Kline, da alles doch ein wenig zu offensichtlich abgekupfert). Regisseur Mike Newell, der mit «Four Weddings and a Funeral» und «Donnie Brasco» zwei brillante Streifen, zuletzt aber mit «Pushing Tin» einen jämmerlich schlampigen Film abgeliefert hat, konnte für seine wenig originelle Version der bewährten Cooler-Lehrer-begeistert-seine-Schüler-Formel immerhin eine illustre Schar von weiblichen Stars und Hoffnungsträgerinnen zusammentrommeln. Angeführt von Klassenprimus Roberts und umrahmt von Ausnahmekönnerin Marcia Gay Harden, geben sich gleich drei der talentiertesten Vertreterinnen der neuen Fräuleinwunder-Generation Hollywoods und potenzielle Thronfolgerinnen Roberts’ ein Stelldichein: «Spider-Man»-Liebchen Kirsten Dunst, die mit den Shakespeare-Verfilmungen «Hamlet» und «O» auch in stürmischeren Gewässern erprobte Julia Stiles und Newcomerin Maggie Gyllenhaal, die unlängst in der grandiosen Sadomaso-Tragikomödie «Secretary» abseits der grossen Kinosäle eine höchst beeindruckende und mutige Leistung gezeigt hat.

Lieblose Nummernrevue

Respektable Erfolge erzielend beim Versuch, den hölzernen Figuren Leben einzuhauchen, enttäuscht von den prominenten Damen keine, am allerwenigsten Roberts, die nicht nur dank ihres gewinnenden Wesens, sondern auch kraft ihrer baren schauspielerischen Fähigkeiten das Publikum für sich einzunehmen vermag. Doch leidet auch sie unter einem überladenen Skript, das sich keine Zeit für seine Geschichte nimmt. Vieles bleibt deshalb Stückwerk, sodass der Film letztlich zur mitunter nachgerade lieblos abgefertigten, völlig vorhersehbaren Nummernrevue verkommt, in welcher politisch wie gesellschaftlich brisante Themen nur kurz gestreift, dafür aber sämtliche Klischees bedient werden und sämtliche Stereotypen einmal in die Kamera winken dürfen. Eine gewisse Tiefe erreicht «Mona Lisa Smile» nur in wenigen Szenen, die jene Möglichkeiten erahnen lassen, die sich mit solch einer Besetzung und einer in einen derart spannenden Kontext eingebetteten Geschichte geboten hätten. Newell, die Zuckerdose stets in Griffnähe bereithaltend, hat all diese Möglichkeiten ungenutzt verstreichen lassen und stattdessen ein sich immer hart an der Grenze zum Kitsch bewegendes Rührstück gedreht, das er in geradezu programmatisch seichte Bilder verpackt hat: Form und Inhalt in Einklang – wenigstens das. Und zum Schluss ertönen dann auch noch mit brachialer Gewalt die unvermeidlichen Geigen, die Tränen fliessen, und übrig bleibt nur das Julia-Roberts-Smile.