Das Fenster zur Schriftstellerseele

Mit «Secret Window» bringt Regisseur David Koepp eine handwerklich solide, spannend erzählte und insbesondere dank Johnny Depp  insgesamt gefällige Adaption eines Stephen-King-Romans auf die Leinwand.

 

von Sandro Danilo Spadini

Mit Stephen-King-Verfilmungen ist das so eine Sache. Vom übelsten Videopremieren-Schrott bis zum modernen Klassiker führt eine kaum mehr überschaubare Spur zurück zur Feder des Beststellerautors; hoffnungslose Dilettanten haben sich an Romanen, Kurzgeschichten oder Drehbüchern von King vergriffen, hofierte Starregisseure haben ebensolche veredelt. In jedem Fall aber ist Stephen King seit Brian De Palmas «Carrie»-Adaption aus dem Jahre 1976 nicht mehr wegzudenken aus dem amerikanischen Kino, wenngleich den jüngsten Unterfangen, einen King-Stoff adäquat auf die Leinwand zu bringen, freilich nur bescheidener Erfolg beschieden war. Weder Scott Hicks’ «Hearts in Atlantis» und schon gar nicht Lawrence Kasdans «Dreamcatcher» vermochten so recht vom Hocker zu hauen und an die Erfolge von Filmen wie «The Shining», «The Shawshank Redemption» oder «The Green Mile» anzuknüpfen.

Johnny Depp als Ass

David Koepp heisst der Mann, der nun mit «Secret Window» für eine diesbezügliche Trendwende sorgen möchte, und er müsste eigentlich ganz genau wissen, wie man eine Geschichte spannend erzählt. Seine Meriten hat sich Koepp in Hollywood nämlich in erster Linie als Drehbuchautor («Mission: Impossible», «Panic Room») erworben; auf dem Regiestuhl nimmt er nach den beiden ansprechenden, mit ungleich tieferen Budgets realisierten Thrillern «The Trigger Effect» und «Stir of Echoes erst zum dritten Mal Platz. Anzumerken ist «Secret Window» die relative Unerfahrenheit des Regisseurs jedoch nicht. Überaus souverän und handwerklich lupenrein setzt Koepp Kings Geschichte in bewegte Bilder um, befolgt dabei alle Regeln der Suspense-Kunst und zieht sämtliche genretypischen Register. Einen Originalitätspreis bekommt er dafür zwar nicht, aber grundsolide ist das Ganze in jedem Fall. Und mit einem Johnny Depp zum Niederknien hat Koepp gar noch ein richtiges Ass im Ärmel.

Der Mann aus dem Nichts

Depp spielt den in Scheidung lebenden und unter selbigen Höllenqualen leidenden Schriftsteller Mort, der mit seiner zersausten Frisur, dem zerfledderten Morgenmantel, seiner Schreibblockade und dem Beziehungsstress verdächtig an Michael Douglas’ Figur aus «Wonder Boys» erinnert. Mort will vor allem seine Ruhe und hat sich in sein schmuckes Landhäuschen zurückgezogen, wo er wieder zu Kräften zu kommen und seine literarische Produktion anzukurbeln gedenkt, stattdessen aber mehr und mehr in Lethargie verfällt. Aus dieser reisst ihn schliesslich ein mysteriöser, dem Gewalttätigen offenbar gänzlich unverschlossen gegenüberstehender Fremder (John Turturro), der eines Tages wutschnaubend vor seiner Haustüre herumpoltert mit dem Vorwurf, Mort habe ihm eine seiner Geschichten gestohlen. Dass dem unwillkommenen Irren der Sinn nicht nach Spassen steht, begreift Mort aber erst, als mit seinem Hund ein erster Todesfall zu beklagen ist und aus der vormals ungemütlichen Situation allmählich eine überaus bedrohliche wird. Also schaltet er einen Privatdetektiv ein, der über den geheimnisvollen, scheinbar jeweils aus dem Nichts auftauchenden Missetäter aber auch nichts in Erfahrung bringen kann.

Oberes Mittelfeld

Spätestens nach der Halbzeitpause wird eingedenk einiger jüngerer Genre-Produktionen deutlich, in welche Richtung «Secret Window» steuert, weshalb die Auflösung nicht allzu laute Ausrufe des Erstaunens auslösen wird. Um Tiefe ist die psychologisch an sich nicht uninteressante Geschichte nicht sonderlich bemüht, vielmehr geniesst die Erzeugung von Nervenkitzel oberste Priorität. Als Thriller funktioniert der Film denn auch, nicht aber als Psychogramm. Das ist einerseits beklagenswert, zumal aus dem vorliegenden Stoff gewiss mehr herauszuholen gewesen wäre. Andererseits ist Koepp nicht der Mann, der das Innenleben seiner Figuren mit kryptischer und sperriger Symbolik nach aussen zu kehren verstünde – das können andere entschieden besser. Dass sich «Secret Window» nicht übertrieben ernst nimmt und so manche brenzlige Situation mittels Depps Charme und einer Portion Slapstick auf humorvolle Weise entschärft wird, ist jedoch in jedem Fall begrüssenswert. Und deshalb reicht es letztlich locker für einen Platz im oberen Mittelfeld auf der nach oben und unten offenen Qualitätsskala der Stephen-King-Verfilmungen.