Yellowstone

 

Ein Hauch von «Dallas» weht seit bald zwei Jahren durch Montana und daselbst das monumentale Yellowstone-Anwesen, die nichts weniger als grösste Ranch der USA. Mit eiserner, wiewohl zusehends zittriger Hand geführt wird sie in sechster Generation von John Dutton (Kevin Costner), einem Patriarchen und Raubtierkapitalisten reinsten Wassers, der sich aufführt, als stünde er noch breitbeinig in den Reagan-Achtzigern, und nach Gutsherrenart nicht nur Politiker und Beamte korrumpiert und Feinde wie Verbündete zu Manövriermasse degradiert, sondern auch den eigenen Kindern seinen Willen aufzuzwingen pflegt. Entsprechend kaputt sind diese Dutton-Sprösslinge: der zwar loyale, aber ungeliebte Sohn Jamie (Wes Bentley), der die Familie als Anwalt in allerhand Rechtshändeln vertritt und politische Ambitionen hegt; die knallharte Tochter Beth (Kelly Reilly), ein allzu trinkfreudiges Luder, das in Sachen Intrigantentum selbst einem J.R. Ewing die Stirn bieten könnte; und der versehrte und verlorene Lieblingssohn Kayce (Luke), der Benjamin, der erst in den Krieg und sodann ins angrenzende Indianer-Reservat zog, um sich von der Fuchtel des Vaters zu befreien. Zum Stammpersonal von «Yellowstone», das durchs Band von eher eindimensionalem, funktionellem Charakter ist und aus dem Seifenopern-Handbuch herausgaloppiert scheint, gesellen sich noch ein nibelungentreuer Ranch-Vorarbeiter (Cole Hauser) sowie ein kalifornischer Milliardär (Danny Huston) und der neue Reservats-Chief (Gil Birmingham), die Dutton Land und Vieh abluchsen wollen und ihn in einen explosiven Zweifrontenkrieg verwickeln.

Nur insgesamt 19 Folgen umfassen die ersten beiden Staffeln der Neo-Western-Serie «Yellowstone»; die aber haben es gröber in sich und sind nicht nur gespickt mit massenhaft Schiessereien und Mauscheleien, Machogeblöke und Stutenbissigkeit, sondern auch veredelt von pompösen Produktionsstandards und spektakulären Schauwerten, die vor Ort in Montana und in Utah in feinster Kameraarbeit eingefangen wurden. Co-kreiert hat die Serie mit Taylor Sheridan ein Kerl, der schon in den meisterhaften Thrillern «Hell or High Water» (Drehbuch) und «Wind River» (auch Regie) ein Faible für das urwüchsige, naturmächtige Amerika und Westerntraditionen offenbart hat; Sheridan, der in ruralen Gegenden in Texas und Wyoming gelebt hat, verantwortete überdies bei sämtlichen neun Folgen der ersten Staffel Regie und Skript. Es ist eine raue Welt, die er hier erschaffen hat – und oft genug auch eine verdorbene und gewalttätige, in der Faustrecht herrscht, das Recht des Stärkeren. Nach bester US-Seifenoper-Art sind hier nicht nur das Dekor und die Schauplätze «larger than life», sondern natürlich auch die Konflikte und Probleme. Diese Mixtur aus Brutalität und Melodrama wirkt trotz recht strikter Befolgung bewährter Genreformeln auch deshalb überraschend frisch, weil Sheridan seine idealtypisch besetzten Stars im Zaum hält; und sie funktioniert so verblüffend gut, weil über persönliche Wunden und verlustreiche Grabenkämpfe hinaus auch Fragen gestellt werden, die eine gewisse gesellschaftliche Tragweite haben: über das Bild und den Platz des Cowboys und mithin des amerikanischsten aller Männer etwa in einer Welt, die sich der Moderne nicht mehr verschliessen kann – und die dies angesichts all der lukrativen Verlockungen, die hinter jedem Felsen lauern, auch gar nicht länger zu wollen scheint.