Bis das Glas platzt und die Herzen brechen

Der von Meryl Streep und Hugh Grant getragene Publikumsschmeichler «Florence Foster Jenkins» erzählt von der schlechtesten Opernsängerin aller Zeiten. Und wichtiger noch: eine aussergewöhnlich rührende Liebesgeschichte.

 

von Sandro Danilo Spadini

Unsere ist eine sehr glückliche Welt», erklärt der englische Gentleman St Clair Bayfield (Hugh Grant) dem gerade höchst verwirrten Pianisten Cosmé McMoon (Simon Helberg). Und weil das so ist, hat Regisseur Stephen Frears mit «Florence Foster Jenkins» aus Respekt auch einen überaus glückseligen Film gedreht. Es gibt darin unter heiterer Oberfläche gewiss auch melancholische Einsprengsel, einige traurige Momente, schwierige Momente, und bisweilen kann es auch etwas beklemmend werden. Doch grosso modo, jawohl, ist das ein farbenfroh beschwingtes Leben im New York des Jahres 1944, in dem die von Meryl Streep gespielte Titelheldin wider jede Vernunft ihrem Traum nachjagt. Florence Foster Jenkins‘ Leidenschaft gilt der Musik. Und sie lebt diese nicht nur als grosszügige Gönnerin im Hintergrund aus, sondern auch in ihren Kammern mit dem neu engagierten Cosmé und hoch oben auf der Bühne vor aller Leute Ohren. «Musik war und ist mein Leben», tönt die Millionenerbin. Ja sie ist neben St Clair ihre zweite grosse Liebe. Aber anders als jene wird diese Liebe nicht erwidert: Florence Foster Jenkins nämlich hat leider nicht das geringste Talent fürs Singen.

Grandioser Grant

Die sagenhafte Geschichte der «schlechtesten Sopranistin aller Zeiten» inspirierte bereits eine Broadway-Produktion, ein südafrikanisches Ein-Personen-Stück, eine französische Kinokomödie und einen – derzeit ebenfalls laufenden – deutschen Dokfilm. Füglich darf man sich mithinfragen: Braucht es diesen Film jetzt wirklich auch noch? Und antworten muss man darauf: Ja selbstverständlich! Schliesslich ist dies die Gelegenheit, Meryl Streep und Hugh Grant gemeinsam vor der Kamera in der vielleicht nicht leidenschaftlichsten, aber in einer der rührendsten Liebesgeschichten der jüngeren Kinozeit zu sehen – und dies erst noch unter der souveränen Regie von Stephen Frears. Was dieser seit je besonders gut versteht, ist, seinen Stars Raum zu geben, Zeit zu lassen, die Bühne zu bereiten und ihnen so Wahrhaftiges zu entlocken – man denke an Helen Mirren in «The Queen». Sicherlich ist solcherlei bei einer Meryl Streep kaum nötig; sie würde auch unter der Anleitung eines betrunkenen Telenovela-Regisseurs diese Amateur-Diva in stilsicherer Exaltiertheit in den Kinosaal schmettern. Grant hingegen beflügeln die Extrafreiheiten. Dass er eine Leinwand füllen kann, wusste man von seinen ewigen Rollen als schusseliger Herzensbrecher («Notting Hill») und blasierter Schwerenöter («About a Boy»). Doch was er hier zeigt, ist nicht bloss charmant und charismatisch, sondern detailliert und differenziert; und es ist quasi der Kulminationspunkt seiner Karriere, wo seine beiden Archetypen zusammenkommen: St Clair ist ein lieber Kerl, loyal und fürsorglich dazu. Mit Engelsgeduld bestärkt er seine Florence bedingungslos in allem, was sie tut, beschützt sein «bunny» vor allen, die ihm Böses wollen, und päppelt die Arme auf, die vor 50 Jahren vom ersten Gatten die Syphilis zur Hochzeit geschenkt bekam. Aber der gescheiterte Schauspieler ist auch ein Filou, der auswärtigem Amüsement mit seiner Geliebten (Rebecca Ferguson) nicht abgeneigt ist. Von sich sagt er, er habe sich eingestehen müssen, dass er ein guter, aber kein grossartiger Mime sei. Manche würden das auch über Hugh Grant sagen. Sie werden hier aufs Galanteste widerlegt.

All die richtigen Töne

Wie seine Stars (und wie damals Tim Burton in seinem Film über den weltschlechtesten Regisseur Ed Wood) trifft auch Frears hier immer die richtigen Töne. In einer Zeit, wo man sich so gerne an anderer Leute Missgeschick erfreut, hätte das auch eine ziemlich fiese Angelegenheit werden können. Doch Frears schafft es, dass man zwar grinst, wenn Florence wieder mal komplett danebenliegt; dass man es aber überhaupt nicht in Ordnung findet, wenn der von Howie aus «The Big Bang Theory» gespielte Cosmé sich das Lachen verkneifen muss. Oder wenn an ihren Konzerten die Proleten und die Intellektuellen sich lustig machen über sie. Vielmehr begrüsst man es, dass alle anderen mitspielen, Florence in ihrem Wahn bestärken: dass sie wohl schwindeln und schleimen, dass sie aber immerhin taktvoll sind, verständnisvoll. Und man kann nicht umhin, Florence auch zu bewundern: für ihren Mut, genau das zu tun, was sie immer tun wollte. Auch wenn darüber sogar die Katzen jammern.