In acht Tagen ein bisschen um die Welt

Steven Soderberghs internationaler Actionthriller «Haywire» ist herrlich ambitionslos und bestens unterhaltend. Die Hauptrolle spielt eine professionelle Kampfsportlerin.

 

von Sandro Danilo Spadini

Bei seinen lockeren Fingerübungen hat sich Starregisseur Steven Soderbergh ja öfters ordentlich was verknackst: so bei der Unzulänglichkeit «Full Frontal» oder der Belanglosigkeit «The Girlfriend Experience», wo er die Hauptrolle mit der Pornodarstellerin Sasha Grey besetzte. Wenn der 49-Jährige nun also einen launigen Reisser mit der Mixed-Martial-Arts-Kämpferin Gina Carano an vorderster Front vorlegt, ist eine gewisse Skepsis unbedingt angezeigt – um sich dann als völlig unbegründet zu erweisen. Denn «Haywire» ist ein herrlich ambitionsloser Film im B-Movie-Chic, der bei seinen internationalen Intrigen aber auch elegant-mondän funkelt. Und eine ganz andere Hausnummer als das schadhafte Referenzmaterial von oben ist dieser erste reine Actionfilm aus dem Hause Soderbergh nur schon kraft seiner Restbesetzung: Notabene die Herren Antonio Banderas, Ewan McGregor, Channing Tatum, Michael Fassbender und Michael Douglas umrahmen die Schauspielnovizin Carano, die erst noch einen prima Job macht.

Spass mit Steven

Caranos vornehmste Aufgabe ist freilich schon das Prügeln. Und Gelegenheit dazu hat sie in «Haywire» reichlich, schliesslich meinen es Halunken aller Sorten nicht allzu gut mit ihrer Mallory. Das hat diese sich aber durchaus selbst zuzuschreiben: Wer wie sie als Special-Ops-Söldnerin einer privaten Sicherheitsfirma unterwegs ist und sich dann mit immer wieder zwielichtigen Typen einlässt, der braucht sich nicht zu wundern über Doppelspiele und Dolchstösse. Einen ebensolchen bekommt sie denn auch bereits in den Auftaktminuten versetzt, wenn sie sich in Upstate New York mit ihrem Ex-Kollegen und Alt-Bettgesellen Aaron (Tatum) konspirativ trifft. Zu diesem frühen Filmzeitpunkt ist Mallory schon längst auf der Flucht. Weshalb, das verklickert sie sodann einem braven Jüngling (Michael Angarano), den sie zur Geisel nimmt, nachdem sie sich Aaron entledigt hat. Die so erzählten Ereignisse der letzten acht Tage führen uns ein bisschen um die Welt: nach Barcelona, nach Dublin, nach New Mexico. Und beinahe auch nach St. Moritz. Doch das zerschlägt sich, weil wieder mal wer Mallory an den Kragen will – wie stets hinterrücks natürlich. Fragt sich bloss, wer diesen Filmstar gewordenen Bubentraum so ums Verrecken beseitigt haben will. Der englische Spion Paul (Fassbender)? Der französische Bonze Studer (Mathieu Kassovitz)? Der amerikanische Regierungsbeamte Coblenz (Douglas)? Dessen spanischer Berufskollege Rodrigo (Banderas)? Oder am Ende gar ihr Chef und ehedem Liebster Kenneth (McGregor)? Was genau warum passiert, ist hier freilich zweitrangig. Wo genau was passiert, ist weitaus spannender. Denn Soderbergh macht sich in seinem abermaligen Zweitjob als Kameramann und Drittjob als Cutter erneut einen Spass daraus, an den exklusiven Schauplätzen ein paar extravagante Stilmittel auszuprobieren – und diesmal ist sein Spass auch wieder unserer, zumal es der Maestro nicht überreizt mit der Exzentrik und den Experimenten.

Ein bisschen anders

Wohldosiert und ebenso temperiert ist auch die Action. Sie besteht naturgemäss zum ganz grossen Teil aus geschmeidiger Martial-Arts-Klopperei, die einen modernen Kontrapunkt setzt zum «Ocean’s Eleven»-Retroglamour und dem Nostalgieflair von frühem Bond und spätem Hitchcock. Doch täuscht auch dieses recht rege Zunutzemachen von Caranos Kernkompetenzen nicht darüber hinweg, dass «Haywire» der etwas andere Actionthriller ist. Cool und relaxed selbst in den Tempospitzen ist Soderberghs Neuster; und manche Einstellung wirkt in ihrer nonchalanten (Über-)Länge und mit der lässigen Musikuntermalung wie eine Kampfansage an all die hyperaktiven Schnippler, die sich sonst so in diesem Genre tummeln. Ungleich smarter als vielerorts ist zudem das Konstrukt der Geschichte, gerade wenn gegen Schluss die erzählte Zeit zur Erzählzeit aufschliesst und nochmals neuer Schwung ins Geschehen kommt. Spätestens dann wird klar, dass der 23. Film des wieder mal mit Rücktritt drohenden extrovertierten Exzessfilmers Soderbergh trotz so geringer Ambition tatsächlich einer seiner besseren geworden ist.