von Sandro Danilo Spadini
David Lynch mag diesen Film: Die Jury unter seinem Vorsitz zeichnete ihn letztes Jahr an den Filmfestspielen in Cannes für die beste Regie aus. Und wie ein David-Lynch-Film beginnt «Punch-Drunk Love» auch, dieses skurrile neue Werk von
Paul Thomas Anderson: Ein Mann in einem absurd geschmacklosen blauen Anzug sitzt in einem kargen Büro, führt ein sehr seltsames Telefongespräch, geht nach draussen in die Morgendämmerung und wird
Zeuge eines spektakulären Autounfalls – oder womöglich auch nicht. Jedenfalls hält kurz darauf ein Lieferwagen an. Vor seiner Nase wird ein Harmonium abgestellt. Der Mann eilt in sein Büro
zurück. – Ein Hauch von Wahnsinn umgibt die ersten Minuten von «Punch-Drunk Love», ein Hauch von David Lynch eben: ein viel versprechender Anfang!
Fantasie und Originalität
Paul Thomas Anderson legte 1996 mit der Gangsterballade «Hard Eight» ein ansprechendes Debüt hin. Was folgte, waren zwei moderne Klassiker: «Boogie Nights» (1997) und «Magnolia» (1999). Ein neues
Wunderkind war geboren, und im amerikanischen Kino wurde eine neue Ära eingeläutet. Mit seinen gerade mal 33 Jahren führt Anderson inzwischen eine neue Generation von jungen amerikanischen
Filmemachern an, die sich allesamt durch einen gewissen Hang zum Wunderlichen, Skurrilen und vor allem durch erstaunlich fantasievolle Filme auszeichnen. Gleichsam in seinem Windschatten schufen
Leute wie Wes Anderson («The Royal Tenenbaums»), Alexander Payne («About Schmidt»), Spike Jonze («Adaptation») oder Burr Steers («Igby Goes Down») zuletzt einige höchst originelle Filmperlen. Die
Nummer eins dieser neuen Garde bleibt aber Paul Thomas Anderson, auch wenn sein neustes Werk die Hoffnungen, die der Prolog weckt, letztlich nicht ganz erfüllt.
Kein Geniestreich
Barry Egan (Adam Sandler) heisst die Hauptfigur von «Punch-Drunk Love». Barry ist ein eher schlichtes Gemüt, schüchtern, unsicher und leicht depressiv mit einer Neigung zu unkontrollierten
Wutausbrüchen. Ausserdem sammelt er wie wild Gutscheine für Gratis-Flugmeilen – was die Unmengen an Pudding, die er in seinem Büro gehortet hat, erklärt – und ist in Lena (Emily Watson) verliebt.
Auch Andersons neuem Film verleihen merkwürdige Typen und tragikomische Zwischenfälle die rechte Würze. Die Story jedoch ist eher schlicht gehalten. Erzählt wird, wie zwei verliebte Menschen sich
näher kommen – auf nicht ganz alltägliche Art und Weise allerdings. Viel mehr ist da nicht. Die Inszenierung passt sich derweil gekonnt der Gemütslage des Protagonisten an: zwischen
fiebrig-verwirrt und gelöst-gelassen, zwischen romantisch und düster. Über die Figuren selbst erfährt man nicht allzu viel, doch kann sich Anderson voll auf seine Darsteller verlassen. Mit der
Besetzung von Adam Sandler hat er indes Mut bewiesen, zumal dieser mit Knallchargen wie Martin Lawrence oder Rob Schneider zu jenen Komikern gehört, deren Humor ausserhalb der USA meist auf
völliges Unverständnis stösst. Allerdings ist mit Jim Carrey gerade unlängst einem anderen Brachialkomiker der Schritt ins Charakterfach gelungen. Ganz so weit wie dieser ist Sandler freilich
noch nicht, aber zumindest auf einem guten Weg. «Punch-Drunk Love» könnte für ihn ein Durchbruch bedeuten, für seinen Regisseur ist er hingegen ein kleiner Rückschritt. Dass ein Film von bloss
anderthalb Stunden zwischendurch grössere Längen aufweist, ist schliesslich kein gutes Zeichen. Von einem Mann wie Anderson ist man sich Besseres gewohnt, denn «Punch-Drunk Love» ist zwar
zweifelsohne überdurchschnittlicher Film, aber eben kein weiterer Geniestreich.