Mit Knochenarbeit zu kulinarischen Orgasmen

Als Sternekoch mit Rockstar-Lebenswandel brilliert ein gewohnt einnehmender Bradley Cooper in «Burnt» – einer Erlösungsgeschichte, die auf bewährte Zutaten vertraut und trotzdem nicht à la carte ist.

 

von Sandro Danilo Spadini

Die einen glaubten, die Drogen hätten ihn dahingerafft. Andere wollten gehört haben, er sei in Amsterdam erstochen worden. Und wieder andere hofften einfach, er sei tot. Doch Adam Jones (Bradley Cooper) war die letzten zwei Jahre clean in Louisiana, hat Busse getan für all das, was er in Paris verbrochen hat, und eine Million Austern geöffnet. Jetzt aber ist der mit zwei Michelin-Sternen dekorierte Küchenzampano wieder parat. Unter Strom. Im Saft. Und bereit für sein Lebensziel: «kulinarische Orgasmen» zu erzeugen in «der besten Küche der Welt». Schaffen will er das in London. Im Hotel seines alten Kumpels Tony (Daniel Brühl). Und mit der Hilfe früherer Weggefährten wie seines Ex-Sous-Chefs Michel (Omar Sy) und des eben noch inhaftierten Max (Riccardo Scamarcio) sowie frischer Talente wie des scheuen David (Sam Keeley) vom Food-Market oder der forschen und stets atemlosen Helene (Sienna Miller). Dass die meisten von ihnen nichts mit ihm zu tun haben wollen, stört diesen selbstbewussten Selbstzerstörer null. Er weiss nämlich, dass er sie am Ende alle rumkriegen wird – sosehr er sie verletzt hat und wie arrogant er auch auftritt. Denn Adam hat noch eine Rechnung offen mit dem Teufel. Und dies ist seine Erlösungsgeschichte.

Ein Küchen-Rolling-Stone

Eine solche war im Grunde auch Jon Favreaus superbe Tragikomödie «Chef», die kurz vor «Burnt» den aktuellen Kulinarik-Boom auch in Hollywood auf den Tisch brachte. Das Skript von Steven Knight («Locke») beleuchtet nun freilich etwas profunder die Schattenseiten hinter der schmackhaften Kulisse, und die grossstadtlärmige Inszenierung von John Wells («August: Osage County») ist weit weniger sonnig. Allerdings ist auch er vor allem in all die prächtig präsentierten Leckereien vernarrt und löscht das Drama jeweils mit einem Schuss Humor ab, wenn es zu intensiv zu werden droht. Das geht zwar offenkundig zulasten der Tiefe; es korrespondiert aber ganz gut mit dem Wesen des Helden, der bei der Psychologin (Emma Thompson) jede emotionale Regung sofort mit Sarkasmus kontert. Und der es auch nicht so ernst nimmt, wenn mal wieder die Drogendealer aus Paris vorbeischauen, denen er noch eine Stange Geld schuldet. Was er hingegen bis zum Wahn ernst nimmt, ist das Kochen. Sein Stil sei veraltet, meint Helene zwar; und die Presse moniert nach der Eröffnung, er habe nicht zu schockieren vermocht. Aber dieser «Rolling Stone» der Küche, wie ihn David nennt, «dieser Mistkerl», wie es Tony wiederum formuliert, könnte nach wie vor «auch mit Steinen kochen». Den dritten Michelin-Stern will er sich so ergattern; und dafür schont er weder sich noch andere, schreit rum, staucht zusammen, schmeisst Teller, zuckt und rastet und flippt aus. Und genau hier, in seinen rauesten Momenten, ist der Film am besten, wahrsten, vielschichtigsten: wenn er die Knochenarbeit zeigt, den Kasernenton, den Mordsdruck. Und dabei mitmeint: die Kameradschaft, das Anspornen, die Höchstleistung. Dieser Realismus, von Wells entsprechend schnörkellos serviert, ist es, was «Burnt» vor dem allzu Süsslichen rettet.

Europäisches Who’s who

Ein Garant dafür ist auch immer Bradley Cooper; mit seinem Spitzbubencharme temperiert der erfolgsgewohnte Beau nach zwei Fehltritten («Serena» und, oh Gott!, «Aloha») hier das Drama wieder auf den Punkt. Fast so flott wie der notorische Sympathiensammler ist indes die Riege seiner Zuspieler, die ein Who’s who von Europas heissesten Mimen abgibt: nebst der Engländerin Miller, die Cooper schon in «American Sniper» assistierte, dem Deutschen Brühl, dem Italiener Scamarcio und dem Franzosen Sy auch die Schwedin Alicia Vikander als spät aufkreuzende Ex und der Waliser Matthew Rhys als rivalisierender Starkoch. Bei so einem Mischmasch sind Unebenheiten geradezu programmiert; es schadet dies dem Film aber weniger, als dass es ihm Würze gibt. Jene Finesse vielleicht, die man ansonsten da und dort vermisst. Das gewisse Extra, die geheime Ingredienz, die diese trotz zwei, drei Twists letztlich absehbar von A nach B führende Story unwiderstehlich machen würde, mag fehlen; aber wiewohl Wells meist traditionellen Zutaten vertraut, ist das bis zum formidablen Schlussbouquet nie bloss à la carte.