Searching

 

Es klingt auf dem Papier gelinde gesagt einigermassen uncineastisch, was sich der 28-jährige indischstämmige US-Regisseur Aneesh Chaganty für sein Spielfilmdebüt «Searching» als Konzept ausgedacht hat: die komplette Handlung über Computer- und Smartphone-Bildschirme ablaufen zu lassen. Doch o Wunder: Das klappt in «Searching» ganz wunderbar, und es kommt ziemlich grandios, wenn sich der junge Witwer David Kim (John Cho) aus dem kalifornischen San Jose via Facebook, Tumblr, Twitter etc. auf die Suche nach seiner verschwundenen 16-jährigen Tochter (Michelle La) macht. Und eine einträgliche Sache war dieser erste Mainstream-Thriller aus Hollywood mit einem asiatischstämmigen Amerikaner in der Hauptrolle grad auch noch: Bei einem Budget von 880‘000 Dollar spielte er weltweit rund 75 Millionen Dollar ein, also annähernd das Hundertfache.


Chaganty, der auch das Skript mitverfasste, erweist sich hier als meisterhafter Geschichtenerzähler, der einen in null Komma nichts in die Story hineinzieht und es über all dem Klicken, Scrollen, Swipen nicht vergisst, den Figuren – man verzeihe den Kalauer – ein Profil zu geben. Trotz der irren Prämisse wirkt der Film dabei vollkommen stringent, von verkopfter Konzepttreue keine Spur; vielmehr ist das ein fast mühelos scheinendes und doch so vielsagendes Abtauchen in die digitale Realität heutiger Teenager, wobei sich der Film einen Kommentar dazu tunlichst verkneift. Er ist nämlich viel zu sehr beschäftigt damit, dem sympathischen Herrn Kim zu zeigen, wer seine Tochter eigentlich ist: nicht die strebesame Studentin, die den Tod ihrer Mutter tapfer verarbeitet hat; sondern ein Teenager in Not, der sich von seinen Freuden entfremdet hat und offenbar ein Leben voller Geheimnisse führt. Und das ist dann ja, bei aller formalen Innovation, wieder ganz und gar klassisch.