Du sollst dir keinen eigenen Gott erschaffen

Christopher Nolans Kameramann Wally Pfister stellt im Regiedebüt «Transcendence» brandheisse Fragen zur Welt von morgen. Seine Antworten sind leider recht lau.

 

von Sandro Danilo Spadini

Eben erst hatten wir «Samantha», das charmante Computer-Betriebssystem mit der rassigen Stimme von Scarlett Johansson im Liebesfilm «Her». Und nun ist da PINN: ein Rechner, der sich ebenfalls selbst wahrnimmt, der indes über eine ungleich höhere künstliche Intelligenz verfügt. Sein Erfinder nennt es «Superintelligenz» oder eben: «Transzendenz». Und was dieser Dr. Will Caster (Johnny Depp) da vor Wissenschaftlern, Wirtschaftsvertretern und Warnern sonst noch sagt, lässt zwar von einer besseren Welt träumen, weckt aber auch Urängste: Allerlei Leid lindern liesse sich mit diesem Ding, erklärt der idealistische Doktor. Ob er denn seinen eigenen Gott erschaffen wolle, fragt derweil ein nicht ganz so euphorischer Zuhörer – und feuert kurz darauf im Namen eines technologieskeptischen Terrortrupps eine Kugel auf Will: eine notabene, die es in sich hat, die nämlich radioaktiv präpariert ist, sodass sich der Menschheitsretter eine Strahlenvergiftung einfängt, die er nicht überleben wird.

Am Anfang das böse Ende

Und so wird alsbald Wills Asche im Wasser verstreut und mit ihm wohl auch sein hehrer Traum begraben. Doch weil der Film hier erst eine halbe Stunde alt ist, darf man da zweifeln. Man muss auch nicht einen luziden Geist von Wills Kaliber haben, um zu prophezeien, dass wir noch nicht das Letzte von Depp und PINN gesehen haben. Zumal wir schon längst wissen, dass in dieser Welt von morgen etwas gewaltig schieflaufen wird. Denn übermorgen – oder genauer: fünf Jahre später – schaut es nicht mehr so einladend aus. Das haben wir gleich zu Beginn von «Transcendence» gesehen, dem Regiedebüt von Wally Pfister. Der Kameramann des Vertrauens von Christopher Nolan («Inception», «The Dark Knight»-Trilogie) hat mit dem ebenfalls debütierenden Drehbuchautor Jack Paglen da einiges vorweggenommen: Die «unvermeidliche Kollision zwischen Mensch und Technologie», wie sie Wills einstiger Weggefährte Max (Paul Bettany) nennt, hat ein endzeitliches Chaos ohne Strom, Telekommunikation und Internet angerichtet. Dass uns das aber bereits im Prolog kundgetan wird, ist recht unnötig und nimmt dem Film schon mal ein gutes Stück Spannung. Es ist dies leider nicht der einzige «Anfängerfehler» von Pfister und Paglen. Die Klischees, deren sie sich so emsig bedienen, sind noch lässlich, im Fall von Johnny Depps Figur sogar lustig: Wenn Will widerwillig und besorgt über die kommerzielle Ausbeutung die Investoren umgarnt, erinnert das ein bisschen an den Star selbst – der gefällt sich ja auch immer noch als Hollywood-Outsider und nimmt das Geld seiner Blockbuster-Produzenten nur ungern. Anderes ist schon lästiger. Dass Regie und Skript auch bei der im düsteren Nolan-Stil gehaltenen Schilderung dieser nahen Zukunft abgesehen von sinnfreien Spezialeffekten so wenig Eigenes einfällt etwa. Auch, dass sie zwar Dringlichkeit, aber kaum je Spannung zu erzeugen vermögen. Und vor allem, dass sie auf die klugen Fragen zu den Folgen des bedingungslosen Fortschritts, die sie anfangs stellen, am Ende fast nur denkfaule und logisch dürftige Antworten liefern.

Gott in der Maschine

Weil gerade Pfister aber auch lange viel richtig macht, bleibt man einstweilen dabei und lässt sich selbst vom ungeniertesten Nonsens nicht die Neugierde verderben. Wenn Wills Witwe Evelyn (klasse: Rebecca Hall) ihren genialen Gatten in PINN hochlädt, ein «Ist jemand da?» grün auf schwarz aufblinkt und sich Wills Gesicht auf dem Bildschirm materialisiert, denkt man kulant: schon komisch, wird mit all den Kabeln, Plättchen, Rechnern, Lämpchen und Zahlenreihen aber sicher irgendwie gehen. Wenn Wills Hirn noch mehr checkt, er den Tunnelblick aufsetzt und zum Geldscheffeln online geschaltet werden möchte, nickt man wissend und nur ein wenig gelangweilt: Frankensteins Monster. Wenn er aber Evelyn einen nostalgischen Romantikabend mit Interieur aus dem 3-D-Drucker bereitet, zieht man schon mal eine Braue hoch. Die Augen schliessen möchte man freilich erst, wenn auch Pfister aufzugeben scheint und er Science-Fiction und Action doch noch das Kommando überlässt. Will ist da längst Gott geworden, die Revolution der Evolution ist vollbracht, Übermensch- und Allmachtsfantasien sind Realität, alles geht. Es könnte jetzt so richtig gruselig sein. Spannend sein. Kontrovers sein. Doch stattdessen blinken noch immer dröge die Zahlen.