Untergang mit fliegenden Fahnen

Der Himmel ist die Grenze: Mit seinem neuen Werk «Pearl Harbor» will das Erfolgsteam um Produzent Jerry Bruckheimer und Regisseur Michael Bay hoch hinaus und legt dabei eine spektakuläre Bauchlandung hin.

 

von Sandro Danilo Spadini

In mindestens einer Kategorie hat das Erfolgsduo Bruckheimer/Bay («Armageddon») James Cameron («Titanic») bereits den Rang abgelaufen: In puncto Werbeaufwand stellt ihr neuestes Werk «Pearl Harbor» alles bisher Dagewesene in den Schatten. Ob der Film deshalb «Titanic» auch in Sachen Einspielergebnisse «Titanic» übertreffen wird, scheint jedoch fraglich, obschon sich das «Pearl Harbor»-Team die Konzeption von Camerons Welthit geradezu schamlos einverleibt hat. Herausgekommen ist nämlich nicht bloss ein billiger (oder vielmehr teurer) Abklatsch, sondern durchweg kalkulierter, übelster Hollywood-Kitsch, demgegenüber sich «Titanic» wie ein Stück sperriges Autorenkino ausnimmt.

Munteres Schiffchenversenken

Die Ingredienzen für einen potentiellen Kassenschlager – «Titanic» hat es vorgemacht – sind also denkbar einfach: man nehme eine herzzerreissende Liebesgeschichte, füge eine historisch verbürgte Katastrophe hinzu und lasse am Ende das ganze in eine spektakuläre Materialschlacht ausarten. Schon sprudeln die Millionen an der Kinokasse. Und wenn die Titanic halt schon filmtauglich versenkt wurde, dann tut es eben auch die Katastrophe von Pearl Harbor, wo im Dezember 1941 japanische Streitkräfte einen gesamten US-amerikanischen Marinestützpunkt auslöschten und damit der US Army den wohl empfindlichsten Schlag in ihrer ruhmreichen Geschichte zufügten. Wahrlich keine schlechte Alternative, das muss man Bruckheimer und Bay lassen, denn so kann das Schiffchenversenken munter weitergehen. Dass das erfolgsverwöhnte Duo mit «Pearl Harbor» einen Flop landen wird, ist eher unwahrscheinlich. Vielmehr dürfte der wohl fast dreistündige Streifen zum Sommerhit dieses Jahres avancieren. Nichtsdestotrotz sind die Mängel von «Pearl Harbor» ebenso offenkundig wie vielfältig. Als vielleicht grösste Schwäche erweist sich das Drehbuch mit seiner durchschaubaren Liebesgeschichte und seiner geradezu unverschämten Glorifizierung der Army. Auch die Verlegung des eigentlichen Höhepunkts mit der Zerstörung Pearl Harbors in die Mitte des Films erweist sich aufgrund des akuten Spannungsmangels im Anschluss keineswegs als weise Entscheidung. Das ärgerlichste Manko überhaupt sind jedoch die mitunter dümmlichen, vor Pathos und Patriotismus nur so triefenden Dialoge sowie die  klischeehafte Figurenzeichnung. Selbst ein Film wie «Armageddon» hatte in dieser Beziehung noch mehr zu bieten.

Zu dick aufgetragen

Die Schuld am (künstlerischen) Scheitern von «Pearl Harbor» alleine beim Drehbuch zu suchen, wäre aber verfehlt. Asche gehört auch auf das Haupt von Regisseur Michael Bay, dessen Bilder die Gradwanderung zwischen imposantem Gemälde und unsäglichem Kitsch nur selten bestehen. Mangelhaft auch die Leistungen der Darsteller. Gerade Titelheld Ben Affleck zeigt wieder einmal, wo seine Grenzen liegen. Derweil sein weibliches Pendant Kate Beckinsale  einigermassen überzeugt, muss Newcomer Josh Hartnett indes noch lernen, dass ein guter Schauspieler über mehr als bloss einen Gesichtsausdruck verfügen sollte. Als ob dies alles nicht schon genug des Ungemachs wäre, untermalt Hans Zimmer das Ganze auch noch mit einem grauenhaft bombastischen Soundtrack, der als durchaus signifikant  für den gesamten Film gewertet werden kann, denn in «Pearl Harbor» wird in jeder Hinsicht viel zu dick aufgetragen wird.