Der Pass

 

Das nun also ist die deutsch-österreichische Version der dänisch-schwedischen Erfolgsformel von «Broen/Bron»: Anstatt auf einer Brücke oder wie in der famosen englisch-französischen Fassung in einem Tunnel wird hier die erste Leiche auf einem schneebedeckten Alpenpass gefunden – exakt auf der Grenze. Oder wie Kommissar Winter (Nicholas Ofczarek) grummelt: der Kopf in Deutschland, der Arsch in Österreich. Und damit hat es sich aber auch schon mit den Parallelen zum Original. Die Geschichte, die nun über acht Folgen hinweg in «Der Pass» erzählt wird, ist eine komplett andere und spezifisch in der Gegend verwurzelte; und die Figuren wurden ebenfalls neu konzipiert, sind indes eben gerade nicht so sehr von ihrer Herkunft geprägt, sprich: Auf das Ausschlachten von Klischees im deutsch-österreichischen Spannungsverhältnis wird dankenswerterweise verzichtet, wenn die strebsam freundliche Berchtesgadener Kommissarin Ellie Stocker (Julia Jentsch) den grantig abgesandelten, von Wien nach Salzburg versetzten Winter zum grenzüberschreitenden Teameffort motivieren möchte. Und am Asperger-Syndrom laboriert auch keiner der beiden.

Was das Duo Cyrill Boss und Philipp Stennert («Die Dasslers») hier geschrieben hat, ist ein starkes Stück Krimigeschichte voller hochaktueller Bezüge etwa auf die Verführungen des Rechtspopulismus, die Gefahren der sozialen Medien, das Bröckeln der Zivilgesellschaft oder die grenzenlose Macht der digitalen Überwachung – und voller Hochspannung, die auch dann nicht nachlässt, wenn bereits in Folge 3 die Identität des Serienmörders enthüllt wird, der sich in der folkloristischen Schreckgestalt des Krampus die Bestrafung der sündigen Gesellschaft zur Pflicht gemacht hat. Und wie sie diesen Reigen von Ritualmorden inszeniert haben, ist eine Sensation: flüssig und ohne Füller, gespenstisch atmosphärisch und von einer düster wuchtigen Bildgewalt, die einen erschaudern lässt und endlich umhaut. Was «Der Pass» zu einem regelrechten Meisterwerk fast auf einer Stufe mit dem skandinavischen Vorbild macht, sind am Ende dann aber die beiden mehrdimensional gezeichneten und doppelbödig interagierenden Hauptfiguren mit ihren dicken Rucksäcken und den dunklen Geheimnissen und ihre nichts weniger als magistral agierenden Darsteller. Die Dreharbeiten zur zweiten Staffel wurden soeben aufgenommen; Julia Jentsch und Nicholas Ofczarek sind offenbar wieder dabei – und das ist das Einzige, was wir wissen müssen, um uns schon jetzt zu freuen.