Jagd auf den Jäger

In seinem Regiezweitling «Good Night, and Good Luck» schildert George Clooney auf meisterhafte Weise, wie ein engagierter Fernsehjournalist den Kommunistenjäger Joe McCarthy zu Fall brachte.

 

von Sandro Danilo Spadini

Wenn sich Schauspieler mit zementiertem Starstatus in den letzten Jahren auch einmal hinter der Kamera versuchten, kam meist nichts allzu Erbauliches heraus. Lang ist die Liste derer, die sich leidlich erfolgreich darum bemüht haben, in die Fussstapfen der Allround-Haudegen Clint Eastwood, Robert Redford oder Kevin Costner zu treten und eine Duftnote auf Regisseuren-Terrain zu setzen. Filme wie «Sonny» (Nicolas Cage), «That Thing You Do!» (Tom Hanks) oder The Brave (Johnny Depp) blieben für deren namhafte Macher folglich einmalige Ausflüge in die Welt des Inszenierens, während Ausnahmen wie Sean Penn, Tim Robbins und neuerdings Tommy Lee Jones nur die Regel bestätigen. Als sich also George Clooney vor rund drei Jahren anschickte, es so manchem seiner Kollegen gleichzutun, und mit «Confessions of a Dangerous Mind» sein Regiedebüt gab, war die Skepsis gross. Zu Unrecht, wie sich dann herausstellen sollte: Zwar war der von Skriptprofessor Charlie Kaufman geschriebene und angeblich auf wahren Begebenheiten beruhende Thriller um einen Showmaster mit CIA-Killer-Nebenjob in formaler Hinsicht etwas gar stark beeinflusst von den bevorzugten Clooney-Kollaborateuren Steven Soderbergh und Joel und Ethan Coen; doch für einen Erstling konnte sich das mehr als nur sehen lassen. Dass der Regisseur George Clooney eine Zukunft hat, war damals schon klar und ist nun, nach dem vierfach Golden-Globe-nominierten Politdrama «Good Night, and Good Luck», gar kristallklar.

Packend und präzis

Im Zentrum des Geschehens steht hier mit dem TV-Journalisten Edward R. Murrow (Oscar-würdig gespielt vom routinierten Ergänzungsspieler David Strathairn) wie in «Confessions» eine reale Figur aus der TV-Geschichte – ein Mann, der, wie in einer Laudatio zu Filmbeginn gesagt wird, Steine nach Riesen zu werfen pflegte. Dergestalt von Murrow attackiert wurde namentlich Joseph R. McCarthy, von 1947 bis 1957 Senator von Wisconsin, berühmter und vor allem berüchtigter noch als Kommunistenjäger und Vorsitzender des House on Un-American Activities Committee (HUAC): ein polternder, zähnefletschender, rufmörderischer Rechtspopulist ohne Skrupel, Anstand und Respekt, der mit seinen meist haltlosen Anschuldigungen Dutzende von Leben zerstörte. Präzis wie packend, konzentriert und fokussiert zeichnet Clooney in seinem nur 85-minütigen Schwarz-Weiss-Film nach, wie Murrow und seine Mitarbeiter des Senders CBS (u. a. Clooney selbst, Jeff Daniels und Robert Downey jr.) McCarthy letztlich zu Fall bringen und damit endlich einen Schlusspunkt unter eines der dunkelsten Kapitel US-amerikanischer Geschichte zu setzen helfen. Was Fernsehkind Clooney – Sohn eines Nachrichtenmanns, Neffe eines TV-Starlets und einstiger Serienstar («ER») – hier völlig schnörkellos zeigt, sind Männer in Anzügen, die in geschlossenen, verrauchten Räumen über Politik diskutieren und die Rolle der Medien hinterfragen – ohne halbherzige Abstecher in deren Privatleben, unterbrochen nur von dazwischengeschalteten Einspielungen von Auftritten der Jazzsängerin Dianne Reeves. Als geradezu genialer Schachzug erweist sich dabei, nur die CBS-Leute von –sich dem Ganzen unterordnenden und ohne Profilierungssucht «fürs Team spielenden» – Schauspielern darstellen zu lassen und ansonsten Archivaufnahen zu verwenden. Zeitdokumente, die McCarthy in seiner ganzen (alkoholisierten) Widerwärtigkeit zeigen und den Vorwurf einer verzerrten Darstellung im Ansatz entkräften. Die Atmosphäre, die Clooney mit dieser kinematografischen Vermählung von Fakt und Fiktion einfängt, ist derweil schlicht atemberaubend; allgegenwärtig ist der Figuren Furcht vor der eigenen Courage – das Abwägen, das Zögern und dann die Kühnheit, die Entschlossenheit –; greifbar ist ihr Bewusstsein um das Wagnis und insbesondere um die Tragweite ihres Handelns; spürbar wird das Gefühl, die Gewissheit, hier geschehe etwas Wichtiges. Und Richtiges.

Logischer Zeitpunkt

Dass «Good Night, and Good Luck» gerade jetzt, in einem gesellschaftlich fast so gefährlichen Klima, auf die Leinwand kommt, ist eingedenk der politischen Orientierung seines mittlerweile zum Vorzeigelinken Hollywoods avancierten Regisseurs natürlich kein Zufall. Nicht von ungefähr kommt entsprechend, dass sich gewisse Aussagen, herausgelöst aus dem Kontext, fast eins zu eins auf heutige Verhältnisse übertragen lassen. Offenkundig geht es Clooney darum, ein Statement abzugeben. Er ist nicht «objektiv»; er bezieht Stellung. Recht so. In einem Amerika, wo es wieder populär geworden ist, Ansichten und Methoden eines Joe McCarthy zu tolerieren oder gar zu goutieren, braucht es Leute vom Schlage eines George Clooney und Filme wie «Good Night, and Good Luck». Ganz dringend sogar.