The Last Black Man in San Francisco

 

Jimmie Fails (er selbst) ist rettungslos verliebt – nicht in eine Frau freilich und auch nicht in einen Mann. Sondern in ein Haus. Das Haus seiner Jugend. Viktorianischer Stil, gelegen im gentrifizierten Fillmore District in San Francisco, in der Nähe der Golden Gate Bridge. Und vor allem: erbaut von seinem Grossvater anno 1946, «dem ersten schwarzen Mann in San Francisco». So erzählt es Jimmie jedem, der es hören will – wie sein bester Freund Mont (Jonathan Majors), ein feingeistiger Hobby-Drehbuchautor, oder dessen Grossvater Allen (Danny Glover), bei dem die beiden wohnen. Und auch denen, die nichts davon wissen wollen – wie dieser dampfplaudernde Tourguide auf seinem affigen Segway oder auch das ältere weisse Paar, das jetzt in dem Haus wohnt und sich jeweils tierisch nervt, wenn Jimmie mal wieder ungefragt mit einem Eimer Farbe vorbeikommt und seine sträflich vernachlässigte grosse Liebe ein wenig aufhübscht. Eines sonnigen Tages indes steht ein Umzugswagen vor seinem Sehnsuchtsort; und jetzt sieht Jimmie die Stunde gekommen. Zusammen mit Mont zieht er flugs in das noch nicht zum Verkauf ausgeschriebene Haus ein und stattet es mit den ursprünglichen Möbeln aus. Sein Glück ist vollkommen – aber natürlich nicht von Dauer.

Mit «The Last Black Man in San Francisco» hat der – weisse – Regisseur Joe Talbot die Geschichte seines Jugendfreunds Jimmie Fails verfilmt und dabei ein ganz ausserordentliches Debüt hingelegt. Es ist eine Geschichte über das wohl wichtige, wenngleich nicht eben filmtaugliche Thema Gentrifizierung. Es ist aber auch und vor allen Dingen eine Geschichte über Identität und Verwurzelung. Über Vergänglichkeit und Entwurzelung. Über das, was sich festzuhalten lohnt, und das, was man loslassen muss. Es ist am Ende des Tages eine Geschichte über Heimat oder unser Konzept davon. Zumindest zu Beginn indes ist das mitnichten eine wütende Angelegenheit. Jimmie und Mont sind friedliche Zeitgenossen, ein bisschen Träumer vielleicht, California Dreamers halt. Und ihr Dasein am Rande der Gesellschaft und der schönen Stadt packt Talbot –bevor sich das Ganze endlich doch noch in eine Klage, eine von emotionalen Eruptionen begleitete Anklage auswächst – in eine berückend poetische Melancholie, die in soften Bildern und gerne in Zeitlupe auf einen gleichsam magischen Realismus trifft, wenn sich Jimmie abermals mit seinem Skateboard zu einen Streifzug durch die Stadt aufmacht, seine Stadt, die nicht mehr die Stadt seiner Kindheit ist, in der immer alles im Fluss ist, die sich stetig verändert, schneller und schneller, die rausgeputzt und entgiftet wird, jetzt, wo die reichen Weissen kommen – und in der kein Platz mehr ist für Leute wie ihn, einfache Leute und, ja, schwarze Leute. Jimmie jedoch will bleiben, hierbleiben, ausharren, seine Stadt, SEINE Stadt verteidigen. Nicht wie sein Vater, seine Mutter, seine Tante, die sich vertreiben, in die Peripherie haben verdrängen lassen. Er will seinen Anspruch, sein geburt- und gottgegebenes Recht auf diese verdammte Stadt geltend machen, auch wenn ihn das alles ankotzt, auch wenn er sein San Francisco bald nicht mehr wiedererkennt, auch wenn seine Liebe für sie bisweilen in Hass umschlägt und selbst wenn er das Haus seiner Jugend und seiner Träume nicht haben kann. Er will der letzte schwarze Mann in San Francisco sein.