Waves

 

Sich mit einem Oscar-Gewinner vergleichen und womöglich messen lassen zu müssen, ist natürlich ein dickes Brett. Aber Regisseur Trey Edward Shults («It Comes at Night») hat sich das ganz allein selbst zuzuschreiben; er hat es ja nicht nur mit der thematischen, sondern durchaus auch mit der strukturellen Ausrichtung seines Dramas «Waves» förmlich darauf angelegt, dass hier Parallelen zu Barry Jenkins’ höchstprämiertem Filmkunstwerk «Moonlight» gezogen würden. Angesiedelt im palmenumsäumten ewigen Sommer Südfloridas, erzählt der weit über zweistündige Film von einer an sich glücklichen, wenn auch nicht ganz durchschnittlichen schwarzen Mittelklassefamilie: Im ersten Teil stehen der 18-jährige talentierte Ringer Tyler (ein Versprechen: Kelvin Harrison Jr.) und wie eben in «Moonlight» die Frage nach afroamerikanischer Männlichkeit in der Gesellschaft von heute im Fokus; im zweiten Teil dann schwenkt Shults, ein Weisser übrigens, abrupt weg von Tyler und hin zu dessen Schwester Emily (ein noch grösseres Versprechen: Taylor Russell), die mit der Stiefmutter (Renée Elise Goldsberry) und dem wohlmeinenden, aber überambitionierten Vater (Sterling K. Brown aus «This Is Us») am Überwinden und Akzeptieren eines traumatischen Erlebnisses laboriert. Diese Episodenstruktur, auch sie gemahnt an Jenkins’ Triumph.

Einen gewaltigen Unterschied zu diesem gibt es dann aber auch noch: nicht etwa ein Mangel an Klasse notabene, sondern die fehlende Anerkennung seitens der Academy. Nicht für einen lumpigen Goldmann hat diese «Waves» nominiert; selbst Kameramann Drew Daniels ging leer aus, dessen Linse sich in mehreren One-Shot-Sequenzen doch so filigran und bisweilen geradezu schwindelerregend an die Fersen der hibbeligen Protagonisten heftet. Visuelle Schmankerl wie diese und auch den einen oder anderen eher angeberischen technischen Schnickschnack hat Shults freilich en masse in petto. Eines der auffälligeren Stilmittel ist dabei der Wechsel des Bildformats mitten im Film – eine zwar nicht übertrieben subtile und auch gar nicht originäre Strategie (zu sehen etwa auch bei Steven Soderbergh oder in Noah Hawleys Flop «Lucy in the Sky»), aber sehr wohl effizient. Selbiges gilt für den elektronischen Soundtrack von Trent Reznor und Atticus Ross, dem in irre hektischer Abfolge Songs von Kendrick Lamar über Frank Ocean bis Radiohead untergejubelt werden. Gerade auch diese wenig süffigen Klänge machen «Waves» zu einer sehr jungen und heutigen Angelegenheit. Zeitlos und universell sind derweil die persönlichen und familiären Dramen, die Freuden und das Leid des Lebens, die Shults seinen Helden aufbürdet – würdevoll und behutsam zwar, klug und differenziert auch, aber mit einer ungeheuren, fast Oscar-würdigen emotionalen Wirkung.