Engrenages (Spiral)

 


Eine Mischung aus «The Shield» und «The Wire» ist diese fantastische französische Kriminal- und Justizserie – also aus nichts weniger als zwei der komplexesten und exzellentesten Monumente der jüngeren Fernsehgeschichte. Mit «The Shield» hat «Engrenages» gemein, dass es die ermittelnden Polizeibeamten auch hier nicht immer so genau nehmen mit den Vorschriften; ja mehr noch, dass Capitaine Laure Berthaud (Caroline Proust) und ihre beiden Leutnants Gilou (Thierry Godard) und Tintin (Fred Bianconi) sich wie weiland Detective Vic Mackey und Konsorten sogar selbst immer wieder auf die düstere Seite treiben lassen und im Sog der Verbrecherjagd in den schattigen Flecken von Paris Gesetze à gogo brechen. Und mit der grossen amerikanischen Erzählung «The Wire» verbindet das in hiesigen und angelsächsischen Gefilden unter dem Titel «Spiral» gezeigte Drama, dass die Fälle stets von verschiedenen Seite her und aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden; so steht etwa der Palais de Justice geradeso sehr im Brennpunkt des Interesses wie die Strassen von Paris und nehmen die Manöver von Richter François Roban (Philippe Duclos) und der Anwälte Pierre Clément (Grégory Fitoussi) und Joséphine Karlsson (Audrey Fleurot) ähnlich viel Raum ein wie die Polizeiarbeit, die von den edlen Damen und Herren in den schwarzen Roben bald begleitet, bald behindert wird. Doch auch diese müssen in dem scheinbar so gepflegt-kultivierten Garten der Intrigen stets auf der Hut sein, nicht von den Mühlen der Justiz zermalmt zu werden.

76 Folgen von «Engrenages» oder eben «Spiral» sind bislang ausgestrahlt worden – eine schwache oder auch nur eine mittelmässige war nicht dabei. Diese rigorose Qualitätssicherung mag auch darauf zurückzuführen sein, dass die Macher um die ehemalige Strafverteidigerin Alexandra Clert jeweils ordentlich Zeit verstreichen lassen zwischen den Staffeln. Deren sieben sind in den 15 Jahren seit der Premiere realisiert worden – jeder von ihnen ist ein eigener wendungsreicher Fall zugeteilt, während im Hintergrund die zusehends chaotischen privaten Verstrickungen und verzwickten beruflichen Verflechtungen weiterforciert werden. Eine Grosstat ist jede Staffel für sich; alle zusammengenommen, ergibt sich indes ein Panorama in und von Weltformat, das es mit seiner zeitgeistigen Relevanz, der psychologischen Tiefe und der ungeschminkten Darstellung des Balancierens und Verlorengehens im Nebel des Graubereichs inhaltlich wie auch qualitativ fast mit den amerikanischen Vorbildern aufnehmen kann. Dies auch deshalb, weil «Engrenages» mindestens so gut gespielt, just so spannend und im Vergleich vielleicht einen Tick zugänglicher ist. Ein abschliessendes Urteil lässt sich freilich noch nicht fällen: Die Saga um Capitaine Berthaud und Richter Roban ist noch nicht zu Ende erzählt; Staffel 8 soll noch in diesem Jahr ausgestrahlt werden.