End of Sentence

 

Vom verblüffenderweise auch schon 60-jährigen Charakterkopf John Hawkes durften wir in den letzten Jahren ja einige Glanzauftritte bestaunen: zunächst im Fernsehen, etwa in «Deadwood» oder «Lost», ab den Zehnerjahren dann mehrheitlich im Kino und dort wiederum vorzugsweise in Nebenrollen, am nachdrücklichsten in «Lincoln», «Three Billboards Outside Ebbing, Missouri» oder «Winter’s Bone», seinem eigentlichen Durchbruch, der ihm seine bislang einzige Oscar-Nominierung eingebracht hat. Wird Hawkes für einmal der Hauptpart anvertraut, so handelt es sich typischerweise um Kleinproduktionen: die Erotik-Tragikomödie «The Sessions» etwa, in der er einen gelähmten Poeten spielte, der eine sogenannte Surrogatpartnerin anheuert, um seine Jungfräulichkeit zu verlieren, oder den arg stil- und selbstverliebten Krimi «Too Late» und den soliden Neo-Noir-Thriller «Small Town Crime», in denen er eher den kernigen oder kaputten Kerl gab. Was der Mann mit der krummen Nase jetzt aber als einer von zwei Hauptdarstellern in der Dramödie «End of Sentence» veranstaltet hat, verdient besondere Beachtung, schreit nach einem Extra-Applaus und verlangt ein besonders lautes Hurra. Denn nicht nur ist das hier grossartiger gar noch als all die vergangenen Heldentaten; es ist leider auch kaum jemandem aufgefallen, wie Hawkes in der eher atypischen Rolle des soften und ein wenig linkischen Witwers Frank Fogle zu seiner Karrierebestleistung aufblüht und ein fast schon magisches Zusammenspiel mit seinem Filmsohn Logan Lerman («The Perks of Being al Wallflower») aufzieht.

Ein kleines Kunststück ist es, wie Hawkes und Lerman es hier vollbringen, dass diese auf dem Papier durchaus klischeebehaftete Vater-Sohn-Geschichte jederzeit natürlich wirkt: dass es nicht aufgesetzt und ausgeleiert rüberkommt, wie diese beiden entfremdeten lebenden Gegensätze auf ihrem Roadtrip durch Irland zwangsläufig zueinanderfinden. Auf diesen geschickt wurden sie von der toten Mutter – ihr letzter Wunsch war es, dass Frank und Sean, die beiden Männer in ihrem Leben, ihre Asche in einem abgelegenen See in ihrer alten irischen Heimat verstreuen mögen. Damit es dazu kommen konnte, musste Frank freilich einiges an Überzeugungsarbeit leisten; partout wollte Sean, der soeben aus einem Gefängnis in Alabama entlassen wurde und in fünf Tagen eine Stelle in Kalifornien antreten soll, nichts mehr mit seinem alten Herrn zu tun haben. Und entsprechend unharmonisch gestaltet sich dieses Abenteuer zunächst – trotz einer feschen Anhalterin (Sarah Bolger), die an einer Bar in Dublin bei mehr als einem Whiskey erst Sean und mit ihrer rührenden Darbietung des Pogues-Hit «Dirty Old Town» in einem Pub an der Westküste sodann auch Frank um den Finger wickelt. Trinken und Singen, Pub und Pogues – das klingt zugegebenermassen jetzt nicht wirklich originell, mehr wie das amerikanische Standardbild von Irland. Aber auch das liest sich auf Papier platter, als es dann tatsächlich ist. Was der isländische Regisseur Elfar Adalsteins bei seinem Langfilmdebüt auf die Beine gestellt hat, hat durchaus Originalität – auch wenn er sich den unvermeidlichen Unfall mit einer Urne nicht hat verkneifen können. Aber da ist dann ja noch John Hawkes, der solche Ausrutscher im Nu vergessen macht.