von Sandro Danilo Spadini
Dialoge sind nicht selten das sprichwörtliche Salz in der Suppe eines Filmes. Dialoge sind aber oftmals auch stereotyp und taugen daher vortrefflich als Indikator für den Typus eines Films. Raunt
der Held beispielsweise schon zu Beginn den Satz «Ich mache hier meinen Job», so erkennt der geübte Kinogänger ziemlich bald, um was für eine Sorte von Film es sich hier handelt. Meistens spielen
dann Clint Eastwood oder Harrison Ford einen kerzengeraden, hartgesottenen Kerl, der sich geradezu märtyrerhaft gegen ein schreiendes Unrecht wehrt und dabei einer Lady, in die er sich en passant
verliebt, aus der Patsche hilft.
Gladiator und Sauberfrau
In Taylor Hackfords Geiseldrama «Proof of Life»
darf der frisch gebackene Oscar-Preisträger Russell Crowe («Gladiator») diesen kernigen, für Amerikaner offenbar Integrität signalisierenden Satz gleich mehrfach aufsagen. Dabei kullert dann
Sauberfrau Nummer eins Meg Ryan so niedlich mit ihren grossen Augen, dass man sich eigentlich wünscht, die beiden würden auch hier (wie vorübergehend im richtigen Leben) ein Paar werden. Das
Problem ist nur, dass wir uns in Lateinamerika befinden und Megs beziehungsweise Alices Ehemann gerade entführt worden ist. Russell alias Terry ist ihr als Kidnapping-Experte zu Hilfe geeilt und
macht eben seinen Job. In solch einer Situation würde Romantik nun wirklich deplaziert wirken, obschon es – selbstredend – ganz schön knistert zwischen den beiden. Es ist gewiss nicht die
Grundstruktur von «Proof of Life», die zu fesseln vermag. Es sind auch nicht unbedingt die Darsteller und ihre Figuren. Russell Crowe spielt wie fast immer einen sehr, sehr ernsten Mann in einer
ungeheuren psychischen Stresssituation, und Everybody’s Darling Meg Ryan wedelt zwar ganz entgegen ihrem sauberen Image beinahe den ganzen Film hindurch nervös mit einer Zigarette, kann sich dann
aber doch nicht dazu durchringen, zwischendurch auch einmal einen Zug zu nehmen. Nein, es ist ganz eindeutig Regisseur Taylor Hackford («Devil’s Advocate»), der «Proof of Life» das angesichts der
zahlreichen Klischees dringend notwendige gewisse Etwas verschafft und dem Film damit Leben einhaucht.
Spannung und Ästhetik
Sowohl optisch als auch narrativ überzeugt «Proof of Life» auf der ganzen Linie. Nicht bloss die Aufnahmen in den Bergen, wohin die Entführer Alices Ehemann verschleppt haben, sondern auch an
schlichten Schauplätzen spielende Szenen, die an sich nicht viel hergeben für ein formales Abweichen von der Routine, sind mit sehr viel Sorgfalt und Liebe inszeniert und erinnern bisweilen an
den Stil von Michael Mann (ohne allerdings dessen Vorliebe für Blautöne zu teilen). Der gute Aufbau der Erzählung sowie die reibungslosen und bisweilen äusserst geschickten Perspektivenwechsel
erzeugen ein recht ordentliches Spannungspotenzial. Ganz klar: Taylor Hackford hat wie Russell Crowe seinen Job gemacht – und dies verdammt gut.