Verschwörerisches Flüstern

Nicole Kidman und Sean Penn sind in Sydney Pollacks Thriller «The Interpreter» einer politischen Verschwörung auf der Spur, deren filmische Ausgestaltung nur streckenweise  zu fesseln vermag.

 

von Sandro Danilo Spadini

Dass sie nicht nur eine Augenweide, ein Blickfang, ein Hingucker, sondern kraft ihres schieren schauspielerischen Vermögens auch in jeder anderen Beziehung einer der strahlendsten Sterne am Hollywood-Firmament ist, hat sich längst herumgesprochen. Und ein flüchtiger Blick auf ihr jüngst erspieltes und derzeit im Entstehen begriffenes Filmkorpus reicht, um sich gewahr zu werden, dass sie zudem zu den fleissigsten und stilsichersten Aktricen unserer Zeit gehört. Nicole Kidman ist mehr als ein Star; sie ist eine moderne Filmgöttin: so apart wie smart, so tüchtig wie fähig, so glamourös wie gewinnend, gleichermassen geliebt von Presse und Publikum. Landauf, landab reissen sich mithin sowohl künstlerisch als auch monetär ambitionierte Regisseure um die 37-jährige Australierin, verspricht doch Nicole die Grosse potenziell sogar beides: eine nette Summe auf dem Firmenkonto und einen Vermerk im Film-Almanach.

Hoffnungsvoller Auftakt

Solches zu vollbringen, hatte wohl auch der 70-jährige Thriller- und Romantikspezialist Sydney Pollack («Tootsie») im Sinn, als er sich zwecks Inszenierung des Politthrillers «The Interpreter» doch noch einmal zum Wechsel vom bequemen Produzentensessel auf den klapprigen Regiestuhl entschloss. Um auf der ganz sicheren Seite zu sein, holte sich Pollack obendrein Sean Penn als Kidmans Co-Star und mit Steven Zaillian einen der profiliertesten Schreiberlinge Hollywoods als Co-Autor in sein Team. Dass trotzdem einiges schief gelaufen ist, beweist nur einmal mehr, dass grosse Einzelspieler halt noch lange kein grosses Team ausmachen. Und dabei fängt alles so verheissungsvoll an: Shakespeare trifft Hitchcock, wenn die bei der UNO angestellte Dolmetscherin Silvia (Kidman) im Schutze der Dunkelheit zufällig ein Komplott zur Ermordung eines afrikanischen Regierungsvertreters belauscht. Erinnerungen an Pollacks kühlen 70er-Jahre-Klassiker «Three Days of the Condor» werden wach, wenn die Verschwörer Jagd auf Silvia machen und eine konstante Unbehaglichkeit in der Luft schwebt. Eine Freude ist es, wie geradlinig der Plot entwickelt wird. Eine Wohltat ist es, mit welcher Wucht die zunächst zaudernden FBI-Agenten (Penn und die wundervolle Catherine Keener) eingeführt werden. Deutlich wird hier Zaillians Könnerschaft offenbar, während Kidman und Penn sich noch beschnuppern, und vorteilhaft schimmert Pollacks Routine durch, während sich Suspense und Atmosphäre prächtig zu entwickeln beginnen.

Seltsamer Einbruch

Doch dann geschieht etwas Seltsames: Man verliert ein wenig das Interesse. Denn entgegen allen geweckten Erwartungen wollen sich Spannungshöhepunkte und stimmungsvolle Dichte bloss vereinzelt, nicht aber übergreifend entfalten. Da überdies auch die Dialoge ihre anfängliche Gewitztheit einbüssen, scheint es fast so, als habe Zaillian nach den ersten paar Seiten die Skript-Verantwortung an seine beiden weniger namhaften Kollegen delegiert. Der sich allmählich auftuenden Ermüdungserscheinungen Einhalt gebieten vermag auch Pollacks unaufgeregter, gleichsam anachronistischer Inszenierungsstil nicht, der eingedenk all der in diesem Genre hantierenden Zappelphilipps zwar grundsätzlich wohl tut, insgesamt aber so konservativ ist wie die Taktikvorgaben italienischer Fussballtrainer. Symptomatisch zum Ausdruck kommt das Problem von «The Interpreter» indes im Zusammenspiel von Kidman und Penn, die trotz Normalform nur leidlich miteinander harmonieren: Vieles bleibt hier Stückwerk und will sich einfach nicht so recht zu einem stimmigen Ganzen finden. Auf der Strecke bleiben so auch die Leidenschaft und eine gewisse Leichthändigkeit; ob all des etwas zu angestrengten Bemühens um Glaubwürdigkeit und dramaturgische Finesse hat es Pollack denn auch völlig versäumt, dem Film eine Seele zu geben. Letztlich ist «The Interpreter» eine Kopf- und ein wenig auch eine Zangengeburt, die wohl in allen Punkten die Ansprüche an eine als solide einzustufende Genreproduktion erfüllt, die das gewisse Etwas, das unter diesen Bedingungen erwartet werden durfte, aber schuldig bleibt: ein nur gut-, nicht jedoch hochklassiger Thriller, der wohl weder die Kinocharts stürmen, noch die Herzen der Filmhistoriker erobern wird.