Und täglich grüsst der Sensenmann

Auch eine Glanzleistung Sandra Bullocks und die sorgfältige Inszenierung Mennan Yapos vermögen im Mystery-Thriller «Premonition» das vom Drehbuch angerichtete Chaos nicht zu bereinigen.

 

von Sandro Danilo Spadini

«Groundhog Day», «The Sixth Sense» und «Eternal Sunshine of the Spotless Mind» sind jetzt schon eine Weile her, und so ist es denn statthaft, angesichts der noch frischeren und ungleich unschöneren Erinnerung an Genrearbeiten wie «Déjà vu», «Next» oder nun «Premonition» auf ein Moratorium für Filme über das Phänomen Zeit zu bestehen. Denn was auch immer die entsprechenden Drehbuchautoren dieser jüngeren Arbeiten für philosophische Überlegungen zu den Themen Vorahnungen, Zeitschlaufen und Ähnlichem angestellt haben mögen: Licht ins Dunkel haben sie jedenfalls nicht gebracht. In «Premonition», diesem übernatürlichen psychologischen Thriller mit grenzreligiösen Erörterungen, darf aber wenigstens an einige der Beteiligten ein Lob ausgesprochen werden, namentlich an die deutschamerikanische Hauptdarstellerin Sandra Bullock, den deutschtürkischen Regisseur Mennan Yapo («Lautlos») und den nur deutschen Kameramann Torsten Lippstock.

Puzzle ohne Reiz

Geholfen haben die ansprechende Optik und Bullocks zirka drittbeste Karriereleistung indes nur bedingt. Was nämlich das Drehbuch von Bill Kelly hier anrichtet, ist ein Chaos sondergleichen und ein regelrechter Unfug, an dem noch der grösste Meister und die mächtigste Könnerin verzweifeln würden. Zum Verzagen ist derweil auch die Situation für die Protagonistin dieses Spuks, die vormals durchschnittliche Vorortshausfrau Linda. Sie kriegt eines vermeintlich ganz normalen Tages mitgeteilt, dass ihr Ehemann Jim (Julian McMahon aus «Nip/Tuck») tödlich verunglückt sei. Am nächsten Morgen jedoch sitzt der ihr ohnehin schon recht fremd gewordene Gatte wieder am Küchentisch, bloss um am übernächsten Tag im Sarg zu liegen. Und am überübernächsten Tag hat Linda dann sogar einen richtigen «Dallas»-Moment: Wie einst Pam den schon beerdigten Bobby entdeckt sie den nun wiederum totgeglaubten Jim quietschfidel unter der Dusche. Da es in diesem Stil noch etwas weitergeht, verliert die arme Linda allmählich den Verstand und gefährdet darob sogar das Leben ihrer beiden Töchterchen. Oder etwa nicht? Haben wir es hier wie weiland in den Vierzigern bei «Gaslight» am Ende mit einer Verschwörung zu tun? Oder ists einfach mal wieder ein Traum, mit dem man uns irritieren möchte? Nein, nein, so einfach machen es sich die hier werkelnden Menschen dann doch nicht. Vielmehr machen sie es sich zusätzlich schwer, indem sie noch eine melodramatische Komponente und die eine oder andere unfreiwillig komische Szene einbringen.

Zu wenig durchdacht

Wiewohl etwas zu kompromissbereit, überzeugt bei alldem freilich die Arbeit von Regisseur Yapo, der als Hollywood-Neuling mit einer hübsche Dinge zu Tage fördernden Neugier zur Tat schreitet. Seine Inszenierung darf man überdies als eine konzentrierte, elegante und dichte bezeichnen, wozu nicht zuletzt die unaufdringliche, die jeweilige Stimmung der Hauptfigur präzise einfangende Kameraführung sowie die farblich sorgfältig abgestimmte, bisweilen kunstfertig fotografierte Vorstadt-Ästhetik beitragen. Dass Yapo übers Ganze gesehen noch die eigene Handschrift abgeht, ist verzeihlich. Dass mitunter die Zurückhaltung abgelegt und auf die Pauke gehauen wird, ist auch nicht das Problem. Und dass der unsympathische Julian McMahon als Jim und Peter Stormare als viel zu undurchsichtiger Psychiater hier völlig fehl am Platz sind, macht auch nicht so viel aus und wird durch das nuancierte Spiel der in beinahe jeder Szene präsenten Sandra Bullock kompensiert. Nur beim Skript gibts nichts zu deuteln: Dieses ist schlicht zu wenig durchdacht, und die darin erzählte Geschichte geht einfach nicht auf. Ab einem nicht allzu späten Zeitpunkt ist man denn auch nicht mehr gewillt, zu stutzen und zu spekulieren und Linda beim Zusammensetzen des Puzzles und dem versuchten Beeinflussen des Zeitverlaufs allzu konzentriert über die Schulter zu schauen. Was anfänglich noch seinen Reiz hatte, resultiert letztlich also abermals in Frustration oder allenfalls Resignation. Und deshalb ist es jetzt wirklich an der Zeit, dass Hollywood die Zeit Zeit sein lässt.