von Sandro Danilo Spadini
Das kann natürlich auch ins Auge gehen: ein Film, der sich eines stockfinsteren Kapitels der amerikanischen Geschichte annimmt und es trotzdem darauf anlegt, ein gutes Gefühl zu vermitteln.
Leicht handelt man sich so den Vorwurf ein, seine schlimme Sache nicht ernst genug zu nehmen: sie zu trivialisieren, sie zu romantisieren. Und in der Tat macht das Rassismusdrama «The Help» bisweilen ebendies, und sehr wohl wird hier
mitunter gar sorglos gescherzt. Doch so gerechtfertigt solche Kritik an dem in den frühen Sechzigern angesiedelten US-Kino-Kassenschlager und seiner Bestseller-Buchvorlage ist: Das Herz hat «The
Help» am richtigen Fleck. Und bringen Romanautorin Kathryn Stockett und der seit Kindergartentagen mit ihr befreundete Regisseur Tate Taylor öfters Humor ins Spiel, so tun sie dies nicht aus
niederen Unterhaltungsgründen – sondern weil es ob der ganzen Bigotterie und Borniertheit ab und an ein Luft und Erleichterung verschaffendes Ventil braucht.
Der alltägliche Rassismus
Einiges angestaut hat sich auch bei den Titelfiguren von «The Help»: den dunkelhäutigen Dienstmädchen, die für 95 Cent die Stunde faulen weissen Hausfrauen das Putzen, das Kochen und recht
eigentlich auch das Erziehen der Kinder abnehmen. Sie sind es, die hier und jetzt, in der Rassismus-Hochburg Jackson, Mississippi, kurz vor Martin Luther Kings Marsch auf Washington, eine Stimme
erhalten. Geschuldet ist das der aufmüpfigen Eugenia (Emma Stone), beim «Jackson Journal» neuerdings zuständig für die Putzkolumne, gesegnet aber mit der Ambition, «eine ernsthafte Autorin» zu
werden. Eugenia ist just vom College nach Jackson zurückgekehrt, um zu ihrer kranken Mutter (Allison Janney) zu schauen, die fürchtet, ihre Tochter sei lesbisch, weil unverheiratet – und glaubt,
dass Homosexualität mit einem Tee «heilbar» sei. Hat sie für solcherlei Spleens ihrer Frau Mama noch Nachsicht übrig, so stösst sie der alltägliche Rassismus ihrer Freundinnen im Umgang mit
Bediensteten zunehmend ab: wenn bei der nachmittäglichen Bridgerunde etwa davon palavert wird, man wolle für die «farbigen» Haushaltshilfen ein separates Klo bauen – «wegen der Krankheiten». Aus
der Entrüstung freilich gedeiht bei «Miss Eugenia», der ambitionierten Schreiberin, bald die Idee für ihr erstes Romanprojekt: eine Sammlung von Erlebnisberichten dunkelhäutiger Dienstmädchen.
Zwei dieser «guten Geister», wie sie auf dem deutschen Buchdeckel genannt werden, zeigen sich dabei besonders auskunftsfreudig: die sanftmütige Aibileen (Viola Davis), die schon 17 fremde Kinder
grossgezogen, ihren eigenen Sohn aber verloren hat, und die burschikose Minny (Octavia Spencer). Zu ihr bewegt sich die Geschichte zusehends hin. Denn um Minny herum schwirren auch die übrigen
beiden Handlungsträgerinnen: ihre piekfeine, aber hundsgemeine Ex-Arbeitgeberin Hilly (Bryce Dallas Howard) sowie ihre tapsige, aber herzensgute neue Chefin Celia (Jessica Chastain).
Wuchtiges Sittengemälde
Mit Minny als Zentrum der Geschehnisse, Aibileen als Erzählerin aus dem Off und Eugenia als treibende Kraft hat «The Help» im Grunde drei Hauptfiguren. Weil das doch recht viel ist und die
Geschichte zudem im schleppenden Rhythmus des Südens erzählt ist, muss hier etwas mehr Zeit eingeplant werden. Ein fast zweieinhalbstündiges Sittengemälde mit dick aufgetragenem, farbenfrohem
Lokalkolorit und augenerleuchtenden Souvenirs aus den Sechzigern (Eugenias Cadillac!) hat Regisseur Taylor mit seinem Zweitling schliesslich geschaffen: plakativ und manipulativ zwar, aber so
herzzerreissend wie herzerwärmend und mit einem gewissen Schalk und einigem Geist (etwa wenn er aus der Verordnung zur Rassentrennung im Staat Mississippi zitieren lässt). Wunderbar sind dabei
samt und sonders die Darstellerinnen (die Männer sind mehr oder minder absent hier). Das Kleid für die Oscar-Gala gewiss bereits aussuchen dürfen Viola Davis («Doubt») und Octavia Spencer («Ugly
Betty»), wenigstens schon mal einen Blick in den Schrank werfen können auch Emma Stone («Easy A») und Jessica Chastain («Tree of Life»), die Newcomerin des Jahres, die dieses «Feelgood-Drama»
gewissermassen veredelt.