von Sandro Danilo Spadini
50 mag das neue 30 sein und 44 dann halt das neue 27. Aber es wirkt trotzdem irgendwie affig, wenn der Mittvierziger Josh (Ben Stiller) mit Hipster-Hut und Rennvelo seinen neuen Busenfreund Jamie
(Adam Driver) zu kopieren sucht. Und wiewohl es seine Frau Cornelia (Naomi Watts) in der Baby-Musizierstunde gruselte: Sie hat dort letztlich doch besser reingepasst als in den Hip-Hop-Tanzkurs,
in den sie Jamies Bioglacé kreierende Gattin Darby (Amanda Seyfried) geschleppt hat. Josh und Cornelia sehen das aber natürlich anders. Einstweilen jedenfalls. Denn im Moment ist das New Yorker
Intellektuellenpaar im Hoch, im Hurra, dem Jugendwahn verfallen und vernarrt in die neuen Bekannten, die alles so anders, alles so richtig machen. Die mit einer kessen Mitbewohnerin, zwei
Kätzchen und einem Huhn (!) in Harlem in einem Loft hausen, Platten hören, VHS-Kassetten schauen, Bücher lesen, Brettspiele spielen, auf Schreibmaschinen schreiben. Derweil hängen sie, die
Altwerdenden, an ihren Smartphones, Tablets, Digital-TVs, E-Readers, Laptops – und sind allein. Mit sich. Den einsetzenden Gebresten. Und ihren Träumen, die im Platzen begriffen sind.
Auf Woodys Spuren
«While We’re Young» heisst der achte Film von
Noah Baumbach treffend, und eröffnet wird er vom Regisseur und Drehbuchautor gleich mal mit einer raffinierten Einstellung: Wir sehen ein Neugeborenes, sodann die Gesichter von Stiller und Watts,
in denen sich diese Mischung aus Glückseligkeit, Verwunderung und, jawohl, Panik zeigt: der Ausdruck frischgebackener Eltern also. Doch es ist dies gar nicht ihr Kind, und was wie neuelterliche
Umnachtung wirkte, ist Gereiztheit. Was verständlich ist angesichts der tatsächlichen Eltern (Maria Dizzia und Beastie Boy Adam Horovitz), die unablässig dieses gefühlige Gesülze brabbeln. «Du
willst auch keine Kinder, oder?», wird Cornelia später daheim fragen. «Ich mag unser Leben, wie es ist», wird Josh bestätigen. Aber Tatsache ist, dass sie es sehr wohl versucht haben. Dass es
aber nicht geklappt hat. Dass es Fehlgeburten gab. Und genau jetzt mag man Baumbach, diesem Woody Allen fürs 21. Jahrhundert, gängigen Hollywood-Konservatismus unterstellen: Von wegen ein Leben
ohne Kinder ist sinnlos. Die Babysache aber ist nur ein Aspekt eines Themenkomplexes, an dem sich der 46-jährige Sohn zweier Filmkritiker aus Brooklyn mit Hintersinn und oft persönlichem Bezug
seit je abarbeitet. Wie im Oscar-Kandidaten «The Squid and the Whale», wie in der ersten Ben-Stiller-Kooperation «Greenberg» und wie zuletzt im Arthouse-Charmeur «Francis Ha» steht hier die Frage
nach Identität und Authentizität im (urbanen) Raum: was das Leben echt macht, ausmacht. Eine sicher fruchtbare Frage in einer Welt der fremden Freunde und vermeintlichen Vernetztheit.
Filmen für die Wahrheit
Um auch seinem neuen Werk einen autobiografischen Touch zu geben, hat sich Baumbach Josh und Jamie als Filmer erdacht – als Dokumentarfilmer notabene. «Ich mache Filme, um die Wahrheit zu
finden», sagt Josh einmal. Es ist, als lasse Baumbach ihn da über sich reden. Josh freilich geht die Dinge verkopfter an als er, arbeitet seit acht Jahren an einem sperrigen Projekt, kommt nicht
zu Potte; Jamie gibt sich trotzdem als Fan aus, zielt eigentlich aber auf Joshs Schwiegervater (Charles Grodin), eine Dokfilm-Legende, mit der Baumbach noch die bewegte Generation ins Spiel
bringt. Und so ist Josh erst geschmeichelt, weil er schliesslich bewundert werden will. Und begeistert vom generösen, uneitlen, authentischen Jamie, der ihn in Wahrheit aber ausnutzt,
instrumentalisiert, blendet. Denn hinter dem analogen Hipster-Getue des smarten Schönlings stecken ein sehr zeitgemässer Narzissmus, unromantische Berechnung und kunstfeindliches
Gratiskultur-Denken. Rezepte für seine Krise wird Josh hier wohl kaum finden – und Cornelia schon gar nicht, zumal es diesmal nach einigen frauenzentrierten Filmen vor allem die männliche
Perspektive ist, die Baumbach über seine beiden genial gecasteten Hauptfiguren einnimmt. Was so bleibt von diesem oft beissend komischen Film, ist eine ernste und recht bittere Erkenntnis: dass
manche Träume, vielleicht sogar die grössten, sich nie erfüllen werden. Was Baumbach versöhnlicherweise aber auch nicht unterschlägt: Es ist nie zu spät für neue Träume.