von Sandro Danilo Spadini
Ein Sturm der Entrüstung toste und eine Welle der Empörung türmte sich auf, als bekannt wurde, dass ausgerechnet Oliver Stone als Erster in grossem Stil die Ereignisse des 11. September 2001
filmisch aufarbeiten würde. Denn mit politisch engagierten und ideologisch bisweilen verbissenen Epen wie «JFK» hat sich der 60-jährige New Yorker zumal in konservativen Kreisen längst den Ruf
eines schlechten Patrioten, bösen Provokateurs und miesen Nestbeschmutzers erworben, dem es unbedingt zugetraut werden musste, dem Andenken der Opfer erheblichen Schaden zuzufügen. Freilich wurde
Stone nicht müde, zu beteuern, sich so respektvoll wie nur möglich dem Thema anzunehmen und jegliche regierungskritischen und verschwörungstheoretischen Töne auszusparen. Sein schlicht «World Trade Center» getaufter Film sollte vielmehr eine
Huldigung an Hoffnung und Heldenmut sein und die wahre Geschichte zweier nach Stunden unter den Trümmern der Türme lebend geborgener Beamter der Hafenpolizei nacherzählen. Und in der Tat: Stones
neustes Werk ist nichts weiter als dies und tut kaum mehr als jenes. Anders als die politischen Agitatoren im Nachgang zu 9/11 beschmutzt und beschädigt dieses vor Pietät berstende und vor Pathos
bebende Drama die Erinnerung an die gefallenen Landsleute also in keiner Weise.
Wenig Bewegung
Aus filmisch-dramaturgischer Sicht scheint die Themenwahl indes verfehlt, bewegt sich hier doch im wahrsten Sinne des Wortes nur wenig. Und auch schauspielerisch, namentlich für Nicolas Cage und
Michael Peña als über fast die ganze Filmdauer ihrer Bewegungsfreiheit beraubter Protagonisten, ist da kaum was zu holen. Umso weniger, als das durch stringenten Aufbau überzeugende Drehbuch der
Debütantin Andrea Berloff ihnen auch auf Dialogebene Spektakuläres vorenthält. Die Glanzpunkte werden in mimischer Beziehung so von anderen und anderenorts gesetzt. In den der Parallelhandlung
zugeordneten Rollen der sich um ihre Männer sorgenden Hausfrauen sind es Maria Bello und Maggie Gyllenhaal, denen eine Plattform zur Profilierung geboten wird. Trotz deren sachten und sachlichen
Spiels bezieht der Film jedoch selbst in den Szenen mit den beiden Ausnahmekönnerinnen seine Wirkung weniger aus dem inszenatorischen oder erzählerischen Gehalt als vielmehr aus dem Wissen um die
historischen Umstände.
Als Hommage gelungen
Die Auftaktminuten des Films wecken derweil noch hohe Erwartungen. Bei der Schilderung eines vermeintlich normalen New Yorker Morgens ist Stone ganz auf der Höhe seines künstlerischen Vermögens.
Und wenn der Angriff dann über die Stadt und ihre Menschen hereinbricht, reicht – in einer Aufnahme für die Ewigkeit – das Bild des Schattens eines der Flugzeuge, um einen eiskalten Schauer zu
erzeugen. Sobald die Türme aber einstürzen, sind die Würfel gefallen. Nun regieren Statik und Langatmigkeit, das gesprochene Wort und das gewöhnliche Bild, das Bedürfnis nach Emphase und das
Bemühen um Empathie. Wie seine Helden ist Stones Film jetzt gleichsam gefangen, gelähmt, ist wie versteinert und erstarrt vor Entsetzen und Ehrfurcht. Begleitet von Craig Armstrongs
schlicht-schönem Soundtrack, wird in der Folge zunächst auf Zehenspitzen und mit Samthandschuhen versucht, grosses Gefühlskino aufzuziehen, um alsdann mit zitternder Stimme die Hymne auf das Gute
im Amerikanischen anzustimmen. Wo die emotionale Eingebundenheit fehlt oder zerstört wurde und kühles Abstrahieren eine Option ist, wird «World Trade Center» damit wohl kaum den gewünschten
Effekt erzielen. Im Unterschied zu Paul Greengrass’ «United 93» fehlt dem Film letztlich die Kraft, das Gefühl jener Zeit heraufzubeschwören, als wir alle Amerikaner waren. Ganz untypisch hat
Stone solch weit reichende Auswirkungen aber ohnehin nicht intendiert. Es soll dies eine Hommage an die Polizisten und Feuerwehrleute sein, die an diesem schwärzesten aller amerikanischen Tage
ihr Leben riskiert oder verloren haben. Und als solche weiss «World Trade Center» in seinen besten Momenten durchaus zu berühren und zu bewegen.