Fang mich, wenn du kannst

Starregisseur Spike Lee schwimmt sich erstmals im Mainstream frei, und seine Stars Denzel Washington, Clive Owen und Jodie Foster haben im Bankräuberthriller «Inside Man» ebenfalls ihren Spass.

 

von Sandro Danilo Spadini

Wenn uns in der Auftaktssequenz von «Inside Man» der vom kernigen Briten Clive Owen gespielte Bankräuber Dalton Russell mit eloquenter wie unfreundlicher Bestimmtheit dazu ermahnt, ihm ganz genau zuzuhören, sind wir bereits das erste von noch vielen folgenden Malen ganz baff. Da schwadroniert der Kerl doch die ganze Zeit markig vom «perfekten Banküberfall», den er und seine drei Komplizen mitten in Manhattan auf ein pompöses Bonzen-Geldinstitut verübt haben wollen. Aber wo sitzt denn der Neunmalkluge zum Zeitpunkt, da er zu uns spricht? In einer Zelle. Na ja, ganz so perfekt wird dieser Coup dann aber wohl doch nicht gewesen sein, denken wir uns. Und als wir dann gezeigt bekommen, wie dieser Überfall vonstatten gegangen ist, beginnen wir erst recht am Realitätssinn von Herrn Russell zu zweifeln: Als Handwerker verkleidet marschieren die vier Dreisten in die Wall-Street-Filiale der Manhattan Trust ein, heissen Kunden und Angestellte kooperativ sein und zündeln ein bisschen rum. Doch hoppla. Rauch dringt aus dem Gebäude auf die Strasse, ein Cop bemerkt das, und noch ehe man «Sapperlot» zu raunen vermag, ist die Hütte von einer Hundertschaft schwer bewaffneter Gesetzeshüter um Captain Darius (Willem Dafoe) und Detective Frazier (Denzel Washington) umzingelt.

Verzwickte Sache

Jetzt haben Russell und Co. also den Salat und wir unseren Schief-gelaufener-Banküberfall-mündet-in-Geiselnahme-Thriller. Damit aber nicht genug des Ungemachs für Räuber Russell: Eine pikante Note – sowie eine zusätzliche Handlungsebene – erhält die vermeintlich zur Genüge gesehene Geschichte durch die Involvierung des zwielichtigen Bankvorsitzenden Arthur Case (Christopher Plummer). Dieser hat nämlich just in der überfallenen Niederlassung seines Imperiums Dokumente deponiert, die ihn als Nazikollaborateur und Kriegsprofiteur ausweisen (warum er diese nicht längst vernichtet hat, bleibt sein Geheimnis und das einzige des ansonsten vorbildlich auf Logik bedachten Drehbuchdebüttanten Russell Gewirtz). Um seine Interessen und seine weisse Weste zu wahren, engagiert Case die machtspielerprobte und gewissensbissimmune Vermittlerin Madeleine White (Jodie Foster), die gerade für den Neffen von Osama bin Laden eine Bleibe im Big Apple sucht. Sie soll dem hallodrihaften Detective Frazier auf die potenziell langen Finger schauen und Russell zur Herausgabe der verfänglichen Papiere bewegen. Ziemlich verzwickt, die ganze Sache. Und das soll jetzt der perfekte Banküberfall sein? Warten Sies ab.

Hoher Spassfaktor

In «Inside Man» reiht sich Wendung an Wendung und Überraschung an Überraschung. Deren grösste eröffnet sich einem freilich schon beim Blick auf die Credits. Unter «Directed by» steht doch tatsächlich der Name Spike Lee. Nun hat sich der am Montag 49-jährig gewordene afroamerikanische Starregisseur («Malcolm X») ja sattsam als Filmemacher mit politischer Agenda und hohem Sendungsbewusstein hervorgetan; ein lupenreiner Popcorn-Film, der kaum jemandem etwas wirklich Böses will und die von Lee so oft gestellten und beantworteten Rassismusfragen nur anschneidet, passt da so gar nicht ins mit unwirscher Verbissenheit gepflegte (Selbst-)Bild. Dem modernen Mucke-Mainstream mag sich der schwarze Terrier mit überlebensgrossem Ego dann aber doch nicht mit Leib und Seele verschreiben. Anstatt der Spezialeffekte-Crew Nachtschichtzuschläge zu zahlen, hat Lee  lieber einen smarten Thriller gedreht, der sich an Sidney Lumets Siebzigerjahre-Klassiker «Serpico» und «Dog Day Afternoon» orientiert und sich auf die Künste seiner lustvoll Räuber und Gendarm spielenden Stars und das sich bissigen Wortwitzes befleissigende Skripts abstützt. Dem neuen Lee-Gesetz folgend, wonach auf einen künstlerischen Reinfall («Bamboozled», «She Hate Me») ein kleineres («Summer of Sam») oder grösseres («25th Hour») Meisterwerk folgt, ist dabei wieder ein Klassefilm entstanden, dem wenigstens für einzelne handverlesene Szenen schon jetzt Klassikerstatus zugesprochen werden darf. Auf drei filigran ineinander verwobenen Ebenen mit je einem konturvollen Protagonisten rollt Lee ohne hektisches Rumswitchen und fast ohne die zuletzt in «She Hate Me» mühsam gewordenen formalen Sperenzchen den am Ende des langen Tages wohl doch perfekten Banküberfall auf. Die markante eigene Handschrift gleichwohl nur geringfügig verstellend, übt sich der bisweilen zu engagierte und überambitionierte Polit-Filmer für einmal in Gelassenheit und erreicht so mehr als auch schon: die Dankbarkeit eines breiteren Publikums. Denn auf solch elegante und intelligente Art ist man schon länger nicht mehr unterhalten worden.