Jetzt mischen die Cowboys auch noch Tschernobyl auf

Sein fünfter Auftritt als Bullen-Raubein John McClane führt Bruce Willis in «A Good Day to Die Hard» nach Russland. Er hätte sich diese Reise auch sparen können.

 

von Sandro Danilo Spadini

58-jährig wird Bruce Willis demnächst, und er scheint so unermüdlich wie unverwüstlich. 30 Filme in den letzten zehn Jahren, wovon zwei Drittel als Actionstar: Man ahnt, wo das noch hinführen wird mit ihm. So wie gewisse Typen noch im Seniorenalter in engem Ledergewand auf der Bühne zu rocken trachten, so wird Willis wohl noch mit arthritischen Fingern die Kalaschnikow auf der Leinwand umklammern. Das könnte unschön werden. Und umso unerquicklicher ist diese Vorstellung, weil doch schon sein jüngeres Tun zu einem beträchtlichen Teil recht entbehrlichen Streifen gewidmet war. Höchste Zeit also, dass der alte Haudegen in seine Paraderolle zurückschlüpft: in jene des saufenden, rauchenden, fluchenden New Yorker Polizisten John McClane. Viermal schon hat Willis dieses Bullen-Raubein gegeben, erstmals 1988, letztmals vor sechs Jahren in Teil vier der «Die Hard»-Reihe. Der fünfte Aufguss nun ist betitelt mit «A Good Day to Die Hard», und saufen und rauchen darf Willis darin nicht mehr, fluchen nur noch mit halber Kraft – und das, obwohl das Studio das Murren der Fans vernommen und keine so tiefe Altersfreigabe wie beim Vorgänger angepeilt hat. Jedenfalls aber ist dieser John McClane nicht mehr ganz der Alte – so wie hier auch sonst vieles anders ist als früher.

Herzzerreissende Peinlichkeiten

Der markanteste Unterschied betrifft den Schauplatz und ist zugleich der problematischste: Nach Russland zu seinem inhaftierten Sohn Jack (Jai Courtney) verschlägt es McClane diesmal. Und dort wirkt er irgendwie entwurzelt. Entfesselt ist er freilich trotzdem. Da hatte ihn die Tochter (Mary Elizabeth Winstead) am Flughafen doch extra ermahnt, «nicht noch ein grösseres Chaos» anzurichten, und dann das: McClane hat noch nicht im Hotel eingecheckt, geschweige denn den Jetlag auskuriert, da hinterlässt er schon eine Schneise der Verwüstung in der Moskauer Innenstadt. Er ist aber auch nicht zum Spass hier – weder zu dem seinen noch dem unseren, wie sich bitterlich weisen wird. Schliesslich gilt es den entfremdeten und offenbar für die CIA manövrierenden Spross zu beschützen, der just mit einem einst einflussreichen Russen (Sebastian Koch) aus dem mit Bomben attackierten Gerichtssaal getürmt ist. Wie und warum das passiert ist, muss einstweilen spekulativ bleiben; Regisseur John Moore und Drehbuchautor Skip Woods mögen sich jetzt nämlich nicht von Erklärungen stoppen lassen. Und wenn sie es zwischen zwei Schiessereien dann doch zu tun belieben, wird offenbar: Zwei Intellektuelle sind das nicht. Vermutet hatte man das ja schon vorher und eigentlich bereits beim Blick auf deren bisheriges Schaffen. Denn dieser weist die beiden wohl als Genrespezialisten aus, fördert aber ausschliesslich Dürftiges wie die Videogame-Adaptionen «Max Payne» (Moore) und «Hitman» (Woods) zutage. Bei ihrer ersten Zusammenarbeit nun pfeifen die beiden so fidel auf die Logik wie nie und leisten sich Szenen und Sätze von geradezu herzzerreissender Peinlichkeit. Der Bösewicht etwa ist hier für nichts Geringeres als die Katastrophe von Tschernobyl verantwortlich; und daselbst geht dann tatsächlich und völlig sinnfrei auch das Finale krachend vonstatten.

Fast wie 1986

Solch Schabernack mit dem gesunden Menschenverstand muss freilich in Filmen dieses Kalibers dem Spass nicht zwingend abträglich sein – ist es hier aber. Dies indes weniger wegen Prügel-und-Baller-Sequenzen, die immer wieder beharrlich jedem Naturgesetz trotzen, als vielmehr wegen einer längst überwunden geglaubten Russland-Phobie, wie sie derzeit in Hollywood eine unselige Renaissance feiert. So lässt man auch hier Plutonium verhökernde Finsterlinge Antiamerikanisches grunzen, auf dass zur Strafe die verwegenen Cowboys dem Iwan endlich die Demokratie bringen. Es sind Torheiten dieser Art, die einen bei allem anständigen Action-Handwerk zur Erkenntnis bringen: Man hätte es nach dem ziemlich geglückten Comeback vor sechs Jahren gut sein lassen sollen mit der «Die Hard»-Reihe. Einer der Schurken schnauzt McClane einmal an, es sei nicht mehr 1986. Irgendjemand hätte das einfach noch den Herren Moore und Woods sagen müssen.